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9. Februar 1918Geburt
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28. April 1935Widerstand
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30. September 1940Konzentrationslager
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4. April 1944Fluchtversuch
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1956Erholungsheim
Fritz wurde am 9. Februar 1918 als sechster von acht Söhnen in eine Lübecker Arbeiterfamilie geboren. Die Familie wohnte sehr beengt, die älteren Brüder mussten auf dem Dachboden des Mehrfamilienhauses schlafen. Mit 13 Jahren fing Fritz an, als Laufjunge zu arbeiten. Fast den gesamten Lohn musste er zuhause abgeben und trug so zum Unterhalt bei.
Sein Großvater, Vater und die Brüder waren in der Arbeiterbewegung aktiv und gehörten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) an. Oft wurde am Küchentisch über gesellschaftliche Missstände und andere politische Themen diskutiert.
In der Schule hatte es Fritz nicht leicht. Schon seine Brüder waren auf die gleiche Schule gegangen. Dort waren sie von den monarchistisch gesinnten Lehrer/-innen, denen die sozialdemokratische Einstellung der Familie Bringmann missfiel, schikaniert worden. So suchte der Klassenlehrer Schulze auch bei Fritz immer einen Grund, um ihn mit dem Rohrstock zu schlagen. Daher machte Fritz eine Zeit lang seine Hausarbeiten erst gar nicht. Am Anfang der Stunde meldete er die fehlenden Aufgaben und kassierte gleich die Stockhiebe, die er sowieso im Laufe des Tages bekommen hätte.
Als ein anderer gewalttätiger Lehrer in der Gewerbeschule zum ersten Mal versuchte, Fritz zu schlagen, schob er seinen Tisch mit den Füßen zwischen sich und den Lehrer, sodass der ihn nicht erreichen konnte.
In seiner Biographie »Erinnerungen eines Antifaschisten« erzählt er über den Konflikt mit dem Sohn des Betriebsleiters:
»Es war nicht alles eitel Sonnenschein in meiner Lehre. Der älteste Sohn des Meisters war von Beruf Elektriker und sollte nun zum Klempner und Installateur umlernen und dies im Betrieb seines Vaters. Schon bald gab es die ersten Differenzen. Obwohl er nur 3 Jahre älter war, musste ich ihn mit ›Sie‹ anreden. Auf dem Bau, wenn der Meister nicht dabei war, hatte mir der Altgeselle das vertraute ›Du‹ angetragen.
Wenn es galt, einen schweren Handwagen zu schieben, hat der Altgeselle stets geholfen. Groht jun. aber verlangte von mir, dass ich ihn allein zur Werkstatt bringen musste. Der Altgeselle achtete darauf, dass ich mit dem Handwagen so zeitig von der Arbeitsstelle abfahren konnte, dass ich zum Feierabend wieder in der Werkstatt eintraf. Groht jun. Ließ mich erst nach Beendigung der regulären acht Stunden zur Werkstatt fahren, so dass mein Arbeitstag wesentlich verlängert wurde. Durch dieses Verhalten wurden mein Gerechtigkeitssinn und mein Widerstand geweckt, und als Folge davon kam es zu unerquicklichen Auseinandersetzungen.«
Fritz‘ Familienmitglieder hatten nicht immer die gleiche politische Ansicht
Fritz‘ Eltern Emilie und Heinrich kamen aus der Arbeiterschicht. Heinrich war ein treues Mitglied der SPD. Die älteren Brüder und später auch Fritz waren aktive Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), einer sozialdemokratischen Jugendorganisation. Schon bald traten drei seiner Brüder aus der SAJ aus und schlossen sich dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) an. Das war die Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Wie viele andere Arbeiter/-innen waren sie mit der SPD-Führung nicht zufrieden.
Die Arbeiterbewegung spaltete sich immer mehr in die Unterstützer/-innen der SPD und der 1918 neu gegründeten KPD. Diese Spaltung machte auch vor den Bringmanns nicht halt. Am Küchentisch entstanden hitzige Auseinandersetzungen zwischen Vater Heinrich, der der SPD treu blieb, und seinen Söhnen. Nach einer besonders lebhaften Diskussion erteilte der Vater seinem Sohn Alfred ein Hausverbot. Fritz war noch jung und blieb immer passiv, doch das Hausverbot erschütterte das Vertrauen in seinen Vater. Von nun an musste er sich heimlich mit Alfred treffen.
Im Zeltlager der Pioniere hatte Fritz viel Spaß
In der Weimarer Republik entstand eine große Arbeiterbewegung. Viele junge Menschen waren Mitglieder in den Jugendorganisationen der linken Parteien (SPD und KPD) und in den Arbeitervereinen. Fritz ging gerne schwimmen und war von klein auf Mitglied in einem Arbeiterturn und -sportverein. Mit seinem Bruder Alfred nahm er auch an Gruppenabenden, Wanderungen und Zeltlagern der Pioniere (der Kinderorganisation der KPD) teil. Die gemeinsamen Spiele, das Singen und die Vorlesungen machten ihm viel Spaß und hinterließen einen tiefen Eindruck. Später wurde er aber Mitglied in der SAJ, der Jugendorganisation der SPD.
Im Laufe des Ersten Weltkrieges spaltete sich die Arbeiterbewegung zunehmend in Sozialdemokrat/-innen und Kommunist/-innen. Eigentlich hatten beide Strömungen ein ähnliches Ziel, eine sozialistische Gesellschaft, in der die Menschen, besonders die Arbeiter/-innen, nicht mehr ausgebeutet würden. Es kam jedoch zu immer größeren politischen Streits, zum Beispiel darüber, ob man im Reichstag der Gewährung von Krediten zur Finanzierung des Ersten Weltkrieges zustimmen sollte.
Auch gegenüber seiner Mutter zeigte Fritz Willensstärke
Mit 13 Jahren sollte Fritz wie seine Brüder zuvor konfirmiert werden. Diesen Wunsch äußerte seine Mutter, als sein achtes Schuljahr begann. Da er nicht religiös war, mochte er dieser Tradition nicht folgen. Stattdessen wollte er seinen neuen Lebensabschnitt lieber mit einer nichtreligiösen Zeremonie, der Jugendweihe, beginnen.
Seiner Mutter gefiel sein Vorhaben überhaupt nicht. Es folgten lange Debatten. Sein Vater hielt sich vorerst aus den Diskussionen heraus. Als seine Mutter allerdings nicht zu Fritz durchdrang, schritt sein Vater schließlich doch in die Auseinandersetzung ein. Die väterliche Autorität brachte Fritz dazu, die Entscheidung der Mutter widerstrebend hinzunehmen und sich konfirmieren zu lassen.
Im Jahr 1933 wurden Fritz‘ Brüder Alfred (23 Jahre), Werner (19 Jahre) und Karl (18 Jahre) verhaftet und kamen für einige Monate in das Konzentrationslager Fuhlsbüttel nach Hamburg. Als Alfred und Werner wieder entlassen wurden, berichteten sie von Misshandlungen im Lager, was Fritz zunächst nicht glauben konnte. Kurz darauf wurde Alfred erneut verhaftet. Durch einen Zufall erhielt Fritz die Möglichkeit, mit ihm in Kontakt zu treten.
»Im Sommer 1934 erhielt mein Lehrmeister den Auftrag im Untersuchungsgefängnis Lübeck Reparaturen durchzuführen. Dort konnte ich meinen Bruder Alfred, der dort inhaftiert war, sehen und sogar regelmäßig mit ihm sprechen. Dieser Zwischenfall hat mich dazu bekräftigt Widerstand zu leisten.«
Fritz begann, sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu engagieren. Zum Beispiel legte er illegale Handzettel mit Antinaziparolen in seiner Schule aus. In der Nacht zum 28. April 1935 malten Fritz und sein Bruder Karl mit roter Farbe den Schriftzug »Nieder mit Hitler« auf ein Hausdach. Dabei wurden sie entdeckt und mussten bei der Flucht die Farbeimer zurücklassen.
Kurz darauf durchsuchte die Gestapo die Wohnung der Bringmanns und fand auf Fritz‘ Arbeitsanzug rote Farbflecken. Er wurde verhaftet und gab nach tagelanger Folter seine Beteiligung an der Aktion zu. Sein Bruder habe damit aber nichts zu tun gehabt. Fritz wurde vom Jugendgericht wegen Sachbeschädigung zu zweieinhalb Monaten Gefängnis verurteilt.
Mit 15 Jahren wurde Fritz zum ersten Mal verhaftet
Fritz war sogar vorher schon einmal verhaftet worden: Am frühen Morgen im Februar 1933 waren zwei Polizeibeamte in der Wohnung der Familie Bringmann erschienen und hatten Fritz zur Vorführung im Polizeipräsidium abgeholt. Der 15-Jährige war sehr aufgeregt und wusste nicht, worum es gehen könnte. Bei der Vernehmung merkte er, dass die Polizisten ihn mit seinem Bruder Werner, den sie eigentlich suchten, verwechselt hatten.
Im Laufe des Verhörs versuchten die Beamten an Informationen über den eigentlich Gesuchten heranzukommen. Sie drohten Fritz sogar Prügel an, doch er verweigerte die Aussage. Nach dem mehrstündigen Verhör wurde er entlassen und durfte in die Schule gehen. Seine Mitschüler hatten schon von der Verhaftung gehört und bestürmten ihn mit Fragen.
Fritz kam in »Schutzhaft«
Drei Wochen nachdem Fritz seine Haftstrafe wegen des Schriftzugs abgesessen hatte und entlassen worden war, wurde er im September 1935 wieder verhaftet. Im Januar 1936 kam der 17-Jährige in das KZ Fuhlsbüttel bei Hamburg und erlebte dort selbst die unmenschlichen Zustände, von denen seine Brüder berichtet hatten. Ohne ein Gerichtsurteil wurde Fritz in den folgenden neun Jahren in sogenannter Schutzhaft gefangen gehalten.
Das war nur möglich, aufgrund eines sogenannten »Schutzhaftbefehls«. Die »Schutzhaft« war zu dieser Zeit ein gängiger Weg, um NS-Gegner/-innen ohne richterliche Anordnung oder Kontrolle zu verhaften. Verhängt wurde die »Schutzhaft« von nationalsozialistischen Organisationen, wie der SA, der SS und der Gestapo. Verhaftete wurden in Konzentrationslager gebracht und dort gefoltert, zur schweren Arbeit gezwungen und auch ermordet.
Fritz‘ ganze Familie wurde wegen ihrer politischen Einstellung schikaniert
Als die Nationalsozialisten 1933 die Regierung bildeten, war ihr erstes Ziel, ihre Widersacher/-innen auszuschalten, um ihre Macht zu festigen. Die politischen Hauptgegner/-innen sahen sie in den Kommunist/-innen, Sozialdemokrat/-innen, Gewerkschafter/-innen und Antifaschist/-innen, die Teil der linken Arbeiterbewegung waren.
Auch die politisch aktive Familie Bringmann war Einschüchterungen und Unrecht ausgesetzt. Schon 1931 waren Fritz‘ Brüder Werner und Karl von SA-Mitgliedern überfallen und verprügelt worden. Ab 1933 waren die Nationalsozialisten an der Macht und bekleideten viele wichtige Ämter, zum Beispiel in Polizei und Justiz. Hier konnten sie nun ihre Feind/-innen ganz offiziell, im Auftrag der Regierung, einsperren, foltern und ermorden.
Oft wurde die Wohnung der Bringmanns von der Polizei durchsucht. Von den sechs Brüdern, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv waren, flohen drei aus dem Deutschen Reich. Die anderen drei waren jeweils für etwa zehn Jahre in Konzentrationslagern inhaftiert.
Fritz' nächste Haftstation war das Konzentrationslager Sachsenhausen. Während des Transportes dorthin im November 1936 freundete sich Fritz mit dem Mithäftling Peter an. Der »alte Lagerhase« war bereits in anderen Konzentrationslagern inhaftiert gewesen und gab Fritz wichtige Verhaltenstipps: »… zackig, militärisch kurz, Haltung, gut überlegte, schnelle Antworten« solle er geben.
»Schon beim Verlassen des Lastwagens, der uns vom Alex nach Sachsenhausen brachte, flüsterte Peter mir zu: ›Hier ist dicke Luft, hier ist etwas los, sei auf der Hut.‹«
Und tatsächlich, sofort mussten die Neuankömmlinge unter Tritten und Schlägen rennen, hüpfen, auf dem Boden robben, sich hinlegen und wieder aufspringen. Beim Einmarschieren in das Lager sollten sie außerdem zur Demütigung das Lied »Alle Vögel sind schon da« singen.
Sachsenhausen: Was war das für ein Lager, in das Fritz gebracht wurde?
Das KZ Sachsenhausen wurde ab 1936 in der kleinen Stadt Oranienburg, nicht weit von Berlin, betrieben.
Die Zahl der jüdischen Häftlinge in Sachsenhausen war mit 10 bis 15 Prozent relativ gering. Vor allem politische Häftlinge waren hier inhaftiert, zudem als »Asoziale« und »Berufsverbrecher« Verfolgte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas sowie Sinti und Roma. Nach Beginn des Krieges im Herbst 1939 sperrten die Nationalsozialisten auch tausende Polen, Tschechen, Russen, Dänen und viele andere Nationalitäten in Sachsenhausen ein. Bis auf einige Ausnahmen waren im Hauptlager des KZ Sachsenhausen ausschließlich Männer inhaftiert.
Die Häftlinge sollten durch die mangelnde Verpflegung und die harte Zwangsarbeit, aber auch durch gezielte Mordaktionen »vernichtet« werden.
Was ist »Zwangsarbeit«?
So gut wie alle Häftlinge in den Konzentrationslagern wurden zum Arbeiten gezwungen. Wer nicht mehr arbeiten konnte, wurde ermordet. Fritz musste zum Beispiel Baumstümpfe ausgraben und tragen, Garagen bauen, für die SS in deren Kantine kellnern und Kartoffeln schälen.
Das schlimmste Arbeitskommando im KZ Sachsenhausen war das Klinkerwerk. Dort wurden Ziegelsteine (sogenannte Klinker) hergestellt. Als Fritz dort im Januar 1940 arbeitete, war es minus zwanzig Grad kalt. Unter ständigem Prügel der SS mussten die Zwangsarbeiter im Laufschritt große Mengen an Ziegeln transportieren. Dabei trugen sie nur die dünne Häftlingsuniform. Handschuhe, Mäntel oder warme Stiefel gab es nicht. Die dünne Wassersuppe, die es zum Mittagessen gab, gefror, bevor Fritz sie aufessen konnte. Lohn erhielt niemand für die Arbeit.
Um zu überleben, hielten die kommunistischen Häftlinge im Lager eng zusammen und halfen sich gegenseitig. So verschafften Fritz‘ Genossen ihm eine Stellung als Sanitäter im Krankenrevier.
Im Revier gab es weder genug Betten, Verbände oder Medikamente noch genug Zeit, um die vielen Kranken zu behandeln. Ohne medizinische Kenntnisse bemühten sich Fritz und die anderen Häftlingssanitäter den kranken Mithäftlingen so gut wie möglich zu helfen. Sie beschafften heimlich Arzneimittel und behandelten mehr Patienten als es ihnen erlaubt war.
Fritz wurde erwischt, als er früh morgens unerlaubt Kranke behandelte. Er kam in die Strafkompanie, wo er unter Schlägen der SS-Männer im Laufschritt schwerste Lasten tragen musste.
Wie sah die »Krankenversorgung« im Konzentrationslager aus?
Fritz und die anderen Gefangenen, die im Krankenrevier arbeiteten, hatten keinerlei medizinische Ausbildung. Das hatte die SS verfügt, um die Häftlinge zu schikanieren. Um den Mitgefangenen helfen zu können, eigneten sie sich mit Medizinbüchern, die sie vom eigenen knappen Geld beschafften, das nötige Wissen an.
Trotzdem waren die Bedingungen schlecht. Jüdische Häftlinge durften überhaupt nicht behandelt werden. Im Winter kamen viele Häftlinge mit Erfrierungen an Händen und Füßen in das Revier. Obwohl die Häftlingssanitäter vom frühen Morgen bis zur Nachtruhe arbeiteten, schafften sie es nie, alle Hilfesuchenden zu versorgen. Der SS-Lagerarzt Ludwig Ehrsam, genannt »Grausam«, warf häufig kranke Häftlinge aus ihren Betten und schickte sie zurück an die Arbeit. Fritz und seine Kollegen nahmen sie etwas später einfach wieder auf und hofften, dass Ehrsam sie nicht wiedererkennen würde.
Mit Schach spielen lenkte sich Fritz vom Lageralltag ab
Das Leben im KZ war geprägt von Hunger, Krankheiten, schwerer Arbeit und ständiger Angst vor der Gewalt der SS. Neben der gegenseitigen Hilfe war auch die wenige Freizeit wichtig für das Überleben der Inhaftierten.
Einige Häftlingsgruppen trafen sich zu heimlichen »Schallerabenden«. Bei diesen Kulturveranstaltungen wurden Gedichte und Vorträge dargeboten. Gemeinsam gesungene, von der SS verbotene, Lieder »schallten« durch die Baracke und halfen den Menschen, die Hoffnung nicht zu verlieren.
Für Fritz war das Schach spielen besonders wichtig, da es ihn vom Lageralltag ablenkte. War das Wetter schön, wurden an den arbeitsfreien Sonntagen Tische zwischen den Baracken aufgebaut. Es wurde um die Tisch- oder Barackenmeisterschaft gespielt. Fritz hatte in der Schule Schachspielen gelernt und nahm immer gern an den Turnieren teil.
Der Zusammenhalt mit seinen Freunden im Lager rettete Fritz das Leben: Er war von seiner Arbeit im Krankenrevier in die Strafkompanie verlegt worden, die niemand lange überlebte. Doch sie konnten erreichen, dass er im September 1940 in das KZ Neuengamme überstellt wurde.
Am 22. Juni 1941 überfiel das Deutsche Reich überraschend die Sowjetunion. Die Rote Armee konnte dem plötzlichen Angriff zunächst kaum etwas entgegensetzen. Mehr als fünf Millionen sowjetische Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft, einige wurden in Konzentrationslagern inhaftiert. Dort wurden sie noch schlechter behandelt als die meisten anderen Häftlinge.
Im KZ Neuengamme wurden sie isoliert untergebracht, bekamen noch weniger Nahrung und mussten härtere Arbeiten verrichten. Dadurch starben zwischen Oktober 1941 und Mai 1942 625 der 1000 sowjetischen Kriegsgefangenen in Neuengamme.
Das Konzentrationslager Neuengamme
Das KZ Neuengamme wurde 1938 im Osten Hamburgs erbaut. Über 80.000 Männer und 13.000 Frauen wurden dorthin verschleppt, hinzu kommen etwa 6.000 weitere Personen, die nicht offiziell registriert wurden.
Die Häftlinge wurden im Lager vor allem zur Ziegelproduktion eingesetzt. Eins der schlimmsten Arbeitskommandos war das »Kommando Elbe«. Dort mussten viele sowjetische Kriegsgefangene arbeiten. Unter anderem mussten sie einen Kanal ausheben.
Der harte Tagesablauf, mangelnde Hygiene, Misshandlungen und das wenige Essen führten dazu, dass viele Häftlinge an Hunger, Kälte, Erschöpfung und Krankheiten starben. Viele waren so erschöpft und verzweifelt, dass sie Selbstmord begingen und in den elektrisch geladenen Zaun liefen oder sich von den Wachen erschießen ließen.
Fritz und seine Genossen wollten den sowjetischen Soldaten im Lager helfen. Zu Weihnachten 1941 sammelten sie Geldspenden von den deutschen Mitgefangenen, die kleine Geldbeträge von ihren Familien erhalten durften. Davon kauften sie in der Häftlingskantine eingelegten Fisch und Rote Beete.
Es war strengstens verboten, den sowjetischen Häftlingen zu helfen. Daher musste die Spende heimlich in das abgezäunte Kriegsgefangenenlager geschmuggelt werden. Als es dunkel wurde und der Isolierungsblock kurzzeitig unbewacht war, schmuggelten die Helfer das Essen so schnell sie konnten zum Tor. Diese Aktion war sehr gefährlich, aber alles ging gut und die Beschenkten freuten sich sehr.
Als die noch lebenden sowjetischen Häftlinge in das KZ Sachsenhausen überstellt werden sollten, schenkten sie Fritz zum Dank eine Schnitzarbeit. Er hörte nie wieder etwas von ihnen. Höchstwahrscheinlich wurden sie dort ermordet.
Fritz sollte andere Häftlinge mit Benzininjektionen töten
Auch im KZ Neuengamme arbeitete Fritz wieder als Sanitäter. Vom SS-Arzt Wilhelm Bahr bekam er den Befehl, Tuberkulosekranke auszuwählen und durch das Spritzen von Benzin zu töten. Die Häftlinge, die zu krank oder zu schwach zum Arbeiten waren, sollten nicht mehr am Leben bleiben. Fritz war schockiert und verweigerte, trotz Todesdrohungen und Prügel, den Befehl. So führte Bahr die Morde selbst aus.
Fritz musste Trümmer aufräumen
Im Laufe des Zweiten Weltkrieges begannen die Alliierten, Städte im Deutschen Reich zu bombardieren. Nach den Angriffen mussten die Trümmer der zerstörten Häuser geräumt und die nicht explodierten Bomben geborgen werden. Ein Großteil der deutschen Männer war im Kriegseinsatz und auch sonst wollte niemand freiwillig die schwere und gefährliche Arbeit verrichten. Daher wurden die KZ-Häftlinge dazu gezwungen.
So wurde auch Fritz mit hunderten Mitgefangenen als »SS-Baubrigade« in Güterzügen zunächst nach Osnabrück und später nach Bremen gebracht. Sie wurden weiterhin von der SS bewacht und mussten zehn bis elf Stunden täglich arbeiten. Untergebracht waren sie zunächst in einer kaputten Turnhalle und später in einer alten Kaserne. In der Turnhalle gab es eine Heizung und jeder konnte in einem eigenen Bett schlafen. Das war eine große Verbesserung zu den Konzentrationslagern. Trotzdem gab es weiterhin brutale Bewacher, viel zu wenig Essen und so gut wie keine medizinische Versorgung.
Gelang Fritz die Flucht?
Wie viele andere KZ-Häftlinge musste Fritz Aufräumarbeiten in deutschen Städten, die von den Alliierten bombardiert worden waren, verrichten. In den Trümmern eines zerstörten Hauses in Bremen fand er Kleidung und etwas Geld. Außerdem wurde man hier nicht so streng bewacht wie im Konzentrationslager, daher wollte Fritz einen Fluchtversuch wagen.
In einer Arbeitspause im April 1944 schlich er sich davon. Mithilfe von Bekannten versteckte er sich in abgestellten Möbelwagen, einer Garage und einer Kleingartenkolonie. Er plante sogar, sich als Frau zu verkleiden, doch Bremen zu verlassen war unmöglich. Überall gab es Kontrollen und er hatte keinen Ausweis.
Nachdem er sieben Wochen überstanden hatte, wurde Fritz unvorsichtig. Einmal verließ er sein Versteck tagsüber und wurde prompt von einem Polizisten aufgegriffen. Von einem Gericht wurde er zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, die er im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen verbüßen sollte. Das war ein Glück, denn hier waren die Bedingungen etwas weniger schlimm als im KZ.
Nachdem britische Truppen Bremen befreit hatten, entließen sie Fritz am 17. Mai 1945 aus dem Gefängnis. Er war nun 27 und seit zehn Jahren zu Unrecht eingesperrt gewesen.
Auch seine Eltern hatten einen langen Leidensweg hinter sich. Drei Söhne waren viele Jahre inhaftiert gewesen und drei weitere hatten aus dem Deutschen Reich fliehen müssen. Auch Fritz‘ Vater war monatelang in Haft und der Alltag seiner Mutter war geprägt von Schikanen der Gestapo.
Mit Alice gründete Fritz eine Familie
An dem Tag, als Fritz aus dem Gefängnis nach Hause kam, schauten viele alte Freund/-innen und Genoss/-innen in der Wohnung der Bringmanns vorbei, um ihn zu begrüßen. So auch die Nachbarin Alice, die Fritz seit Kindertagen kannte. Später sagte Fritz: »Für mich sollte dieser Besuch Folgen haben.« Die beiden waren bis zu Fritz‘ Tod im März 2011 ein Paar. Zusammen bekamen sie drei Kinder: Monika, Luba und Schurra.
Fritz und Alice lebten nicht nur, sie arbeiteten auch zusammen. Von 1956 bis 1965 leiteten sie gemeinsam ein Erholungsheim für Verfolgte des Nationalsozialismus. Viele ehemalige antifaschistische Widerstandskämpfer/-innen zählten zu den Gästen und es gab einen regen politischen Austausch.
Da Fritz immer stärker unter den Spätfolgen der Misshandlungen im Konzentrationslager litt, musste er die anstrengende Arbeit im Erholungsheim aufgeben. Alice und er zogen nach Neumünster, wo sie auch ihren Lebensabend verbrachten.
Fritz hatte die Solidarität der Genossen in den Lagern stark geprägt. Auch nach seiner Befreiung blieb er daher politisch aktiv und engagierte sich in der Kommunistischen Partei. 1950 wurde er sogar noch einmal kurzzeitig verhaftet und seine Wohnung wurde von der Polizei durchsucht, da er sich an der Organisation einer (zuvor verbotenen) Demonstration gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik beteiligte.
Besonders der Austausch mit den jüngeren Generationen lag Fritz am Herzen. Schon früh begann er mit Jugendlichen über seine Zeit in den Lagern zu sprechen. Später sprach er als Zeitzeuge vor Schulklassen.
Außerdem engagierte er sich in der Amicale Internationale KZ Neuengamme, einer Gemeinschaft ehemaliger Häftlinge des Konzentrationslagers. Gemeinsam kämpften sie für die Errichtung einer Gedenkstätte auf dem Lagergelände. Darauf mussten sie jahrzehntelang warten, da dort zunächst ein Gefängnis gebaut wurde.
Erst spät wurde Fritz für sein Engagement geehrt
»Eine bürokratische Posse, deren letzter Akt ein Trauerspiel ist.« So beschrieb 1993 eine große Zeitung die Tatsache, dass sich das Innenministerium in Bonn seit 1990 weigerte, Fritz das Bundesverdienstkreuz zu verleihen. Vermutlich lag das an seiner politischen Einstellung.
Doch Hamburgs damaliger Bürgermeister Henning Voscherau blieb hartnäckig, da er davon überzeugt war, dass Fritz die Ehrung verdiente. Und so endete die Posse schließlich nicht in einem Trauerspiel. Im Jahr 2000 wurde Fritz endlich für sein menschliches Handeln im Konzentrationslager und seine spätere Aufklärungsarbeit mit der Auszeichnung geehrt.
Er hatte sich jahrzehntelang in der Amicale Internationale KZ Neuengamme und als Zeitzeuge für die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen eingesetzt. Außerdem war er in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes aktiv, einem antifaschistischen Zusammenschluss ehemaliger Widerstandskämpfer/-innen.
Für eine Gedenkstätte mussten Fritz und andere Überlebende lange kämpfen
Eine Herzensangelegenheit für Fritz war sein Engagement in der 1958 gegründeten Amicale Internationale KZ Neuengamme, dort war er 25 Jahre lang sogar Generalsekretär. Der Verband von Überlebenden des Konzentrationslagers hat Mitglieder aus zahlreichen europäischen Ländern. Heute sind das vor allem die Nachkommen der ehemaligen Häftlinge.
Vertreter/-innen des Verbandes, unter ihnen auch Fritz, kämpften jahrzehntelang für die Einrichtung einer würdigen Gedenkstätte am Ort des ehemaligen KZ Neuengamme. Ab 1948 wurden dort von der Stadt Hamburg nämlich zwei Gefängnisse eingerichtet. Für viele Überlebende war das ein völlig respektloser Umgang mit ihrer Leidensgeschichte. Außerdem konnte das Gelände nicht betreten werden, sodass sie vor Ort keine Gedenkzeremonien abhalten konnten. Erst als die Gefängnisse 2003 geschlossen wurden, konnte eine Gedenk- und Dokumentationsstätte errichtet werden, die 2005 eröffnet wurde.