Sophie Scholl

* Geboren 9. Mai 1921 (Forchtenberg) - Gestorben 22. Februar 1943
Auf diesem Foto sieht man Sophie mit ihrer Kurzhaarfrisur
Geboren in Forchtenberg, tritt Sophie 1934 dem nationalsozialistischen Bund deutscher Mädel (BDM) bei. Ab 1939 steht sie dem BDM immer kritischer gegenüber. Außerdem ist sie gegen den Krieg. 1942 beginnt sie in München Biologie und Philosophie zu studieren. Dort tritt sie der von ihrem Bruder Hans gegründeten Widerstandsgruppe bei. Sie drucken heimlich regimekritische Flugblätter und schreiben Anti-Kriegs-Parolen an Hauswände. Insgesamt verfassen sie von Juni 1942 bis Februar 1943 sechs Flugblätter. Eines der Schreiben unterzeichnen die Mitglieder mit »Weiße Rose«. Sophie und ihr Bruder Hans werden entdeckt, als sie in der Münchener Universität Flugblätter verteilen. Beide werden zum Tode verurteilt und hingerichtet.
  • 9. Mai 1921
    Geburt
  • Januar 1934
    BDM
  • 5. September 1939
    Gegen den Krieg
  • Juni 1942
    Studium
  • 22. Februar 1943
    Widerstand und Entdeckung
Symbolbild 1, Sophie war nicht immer gegen Hitler
Kapitel 1
Sophie war nicht immer gegen Hitler. Anfangs unterstützte sie ihn sogar.

Die zwölfjährige Sophie Scholl trat im Januar 1934 dem Jungmädelbund bei und wurde so Mitglied des Bund deutscher Mädel. Damit stellte sie sich gegen den Willen ihres Vaters, denn dieser war von Hitler und den nationalsozialistischen Jugendorganisationen überhaupt nicht begeistert. Sophie war das egal: Wie ihre Geschwister war sie zunächst fasziniert von der Hitlerjugend. Und nicht nur das: Innerhalb weniger Jahre stieg sie sogar bis zur Gruppenführerin auf. Dabei legte sie großen Wert darauf, dass alle Mädchen an den Versammlungen teilnahmen: Wenn eines schwänzte, schickte Sophie manchmal sogar einen Polizisten los, um es suchen zu lassen.

Was Sophie am BDM am meisten gefiel, waren die Ausflüge in die Natur. Sie liebte das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Gruppe, das gemeinsame Singen und die Lagerfeuerabende. Im Jungmädelbund konnte man ohne Aufsicht der Eltern zelten gehen oder in Scheunen übernachten. Zudem fühlte sich Sophie sicherlich wichtig, wenn sie als Gruppenführerin für viele Mädchen verantwortlich war und über sie bestimmen konnte.

So sah Sophie in ihrer BDM-Uniform aus
Foto von Sophie in Jungmädeluniform
Sophie (rechts) in der typischen BDM-Uniform, mit Knotenhalstuch und Gaudreieck am Ärmel, auf dem die Zugehörigkeit zu einem Gebiet stand, 1937

Doch schon bald musste Sophie einsehen, dass der schöne Schein von Freiheit, Abenteuer und Unabhängigkeit nur Fassade war. In Wirklichkeit sollten dort Mädchen und junge Frauen im Sinne nationalsozialistischer Ideale erzogen werden – zu Müttern und Hausfrauen. Ab 1936 war es für alle deutschen Mädchen Pflicht, in den Bund deutscher Mädel einzutreten. Außerdem mussten alle Mitglieder den »Ariernachweis« erbringen, also belegen, dass sie keine jüdischen Vorfahren hatten.

Nach Konflikten mit einer Vorgesetzten wurde Sophie ihrer Führerinnenfunktion im BDM enthoben. Sie nahm weiterhin an den Treffen ihrer Mädelschaft teil.

Solche Veranstaltungen fand Sophie wahrscheinlich eher albern

Bei Turnveranstaltungen waren die Mädchen in Reih und Glied angeordnet. Im Gleichtakt führten sie dem Publikum rhythmische Übungen vor. Diese Art der körperlichen Ertüchtigung war erwünscht, um die Mädchen »in Anmut zu schulen«. Sie sollten gesund und kräftig bleiben, um später gesunde Kinder gebären zu können.

Foto einer Gymnastikvorführung des BDM
Bund deutscher Mädel bei einer Gymnastikvorführung, 1941
Individualität war nicht erwünscht

Die einheitliche Kleidung und ähnliche Frisuren führten dazu, dass keines der Mädchen besonders hervorstach. Individualität und kritisches Denken, vor allem bei Frauen, waren im nationalsozialistischen Deutschen Reich unerwünscht. Fotos solcher Gymnastikvorführungen wurden bevorzugt in Propagandazeitungen abgedruckt, um der deutschen Bevölkerung das Idealbild der deutschen Frau vor Augen zu führen.

So weit brachte es Sophie innerhalb des Bunds deutscher Mädel

Mädchen ab zehn Jahren wurden als »Jungmädel« bezeichnet, ab einem Alter von etwa 14 Jahren als »Mädel«. Der Bund deutscher Mädel war nach einer strengen Rangordnung organisiert. Nach dem Motto »Jugend führt Jugend« wurde schon in jungen Jahren das »Führerprinzip« erlernt. Sophie stieg rasch bis zur Jungmädelgruppenführerin auf und organisierte Wanderungen, Ausflüge und Aufmärsche für durchschnittlich 150 Mädchen. Ihre Schwester Inge hatte als Mädelringführerin sogar Befehlsgewalt über etwa 600 Mädchen.

Organisationsstruktur Hitlerjugend
In dieser Grafik kannst du erkennen, welchen Stand Sophie als Gruppenführerin innerhalb des Jungmädelbundes innehatte. Abbildung aus dem Jungvolk-Jahrbuch 1940, herausgegeben von der Reichsjugendführung

Diese Einstellung hatte Hitler zur Hitlerjugend

Propagandaplakat von 1937
»Auch Du gehörst dem Führer« Propagandaplakat von 1937

Adolf Hitler hielt am 4. Dezember 1938 in Reichenberg im Sudetenland, vor fanatisch applaudierenden Jugendlichen eine Rede. Hört man sich die Rede bis zum Schluss an, fragt man sich unwillkürlich: Hatten diese Jugendlichen ihm nicht richtig zugehört?

Lies hier einen Auszug aus Hitlers Rede:

»Diese Jugend lernt ja nichts anderes als deutsch denken, deutsch handeln, und wenn diese Knaben mit zehn Jahren in unsere Organisation hineinkommen und dort oft zum ersten Mal überhaupt eine frische Luft bekommen und fühlen, dann kommen sie vier Jahre später vom Jungvolk in die Hitler-Jugend, und dort behalten wir sie wieder vier Jahre. Und dann geben wir sie erst recht nicht zurück in die Hände unserer alten Klassen- und Standeserzeuger, sondern dann nehmen wir sie sofort in die Partei, in die Arbeitsfront, in die SA oder in die SS, in das NSKK und so weiter.

Und wenn sie dort zwei Jahre oder anderthalb Jahre sind und noch nicht ganze Nationalsozialisten geworden sein sollten, dann kommen sie in den Arbeitsdienst und werden dort wieder sechs und sieben Monate geschliffen, alles mit einem Symbol, dem deutschen Spaten.

Und was dann nach sechs oder sieben Monaten noch an Klassenbewusstsein oder Standesdünkel da oder da noch vorhanden sein sollte, das übernimmt dann die Wehrmacht zur weiteren Behandlung auf zwei Jahre, und wenn sie nach zwei oder drei oder vier Jahren zurückkehren, dann nehmen wir sie, damit sie auf keinen Fall rückfällig werden, sofort wieder in die SA, SS und so weiter, und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben, und sie sind glücklich dabei.«

Im BDM zu sein bedeutete nicht nur Lagerfeuerromantik

BDM-Mitglieder, die an Nähmaschinen arbeiten
Mädchen des BDM, erkennbar an weißer Bluse und Knotenhalstuch, an Nähmaschinen arbeitend. Hier bessern sie gerade Kleidung des Jungvolks aus. Bezeichnend ist das Plakat Adolf Hitlers an der Wand: »Wir folgen dir«. Schwanke, 29. Juli 1942

Es blieb nicht bei den pfadfinderähnlichen Tätigkeiten und der körperlichen Ertüchtigung. Immer weiter wurden die Mädchen und jungen Frauen in die ihnen zugedachte Rolle gedrängt. Sie sollten Kochen und Nähen lernen, um später einen Haushalt führen zu können. In Schulungen wurden die jungen Frauen darauf getrimmt, Kinder zu bekommen und aufzuziehen.

Kriegswichtige Arbeiten

Nach Kriegsbeginn trat eine weitere Absicht der nationalsozialistischen Führung zutage: Auch die deutsche Jugend sollte ihren Teil zum Gelingen des Krieges beisteuern. Die Aufgaben des BDM reichten von Spendensammlungen für das Winterhilfswerk über Pflegetätigkeiten in Lazaretten bis hin zu Strickarbeiten für Soldaten.

Aufmärsche zu Hitlers Geburtstag

Auch für die Propaganda war die Hitlerjugend mit ihren Untergruppierungen unverzichtbar. Bei Aufmärschen anlässlich von Parteitagen oder zu Hitlers Geburtstag sollte die gedrillte Jugend der Presse ein möglichst beeindruckendes Bild abliefern. Dazu marschierten die uniformierten Kinder und Jugendlichen in endlosen Reihen an den Tribünen vorbei.

Symbolbild 2, kurze Haare
Kapitel 2
Sophie trug ihre Haare am liebsten kurz.

Sophie wuchs mit vier Geschwistern auf und verbrachte von klein auf viel Zeit in der freien Natur. Ihre Eltern erzogen sie zu einem kritisch denkenden Mädchen. Sie hatte einen wachen Geist und eine schnelle Auffassungsgabe. Tief in ihr verwurzelt war außerdem ein unerschütterlicher christlicher Glaube. Sophie liebte es, zu schwimmen und zu tanzen. Außerdem fing sie früh mit dem Zeichnen an und schrieb ihren Freund/-innen oft Briefe.

Sophie war anders als andere Mädchen
Foto von Sophie mit Kurzhaarfrisur
Sophie Scholl entschied sich in den 1930er Jahren für eine Kurzhaarfrisur.

Mit dem Beitritt zum Bund deutscher Mädel hatte Sophie allem Anschein nach gegen ihre Eltern rebellieren wollen. Doch damit nicht genug: Sie hatte ihren eigenen Kopf und wollte sich aus der Masse abheben. So schnitt sie ihre Haare kurz, was zu dieser Zeit ungewöhnlich war. Vor allem entsprach Sophie damit nicht der nationalsozialistischen Vorstellung, wie Frauen aussehen und sich verhalten sollten.
Mit 16 Jahren lernte Sophie bei einer Tanzveranstaltung den vier Jahre älteren Fritz Hartnagel kennen und verliebte sich in ihn. Doch wie sollte sie es erreichen, dass er ihr seine Aufmerksamkeit schenkte? Sie begann, ihm Briefe zu schreiben. Sophies Hartnäckigkeit zahlte sich aus: Nach einigen Treffen gelang es ihr schließlich, Fritz zu erobern.

Not an easy relationship

There was only one problem: Fritz had taken up a soldier's career and was training to be an officer. The two of them could not see each other very often. Once Sophie hitchhiked with a friend to visit Fritz in Augsburg - that was also rather unusual for young women at that time. In the winter of 1941/42, when Fritz had time off, they met for a few days in different German cities. To be able to spend the night together in a hotel room, they pretended to be a married couple. For this, Fritz got fake wedding rings. Most of the time, however, they could only write letters to each other. This put their relationship to the test.

Keine einfache Beziehung

Foto von Sophie und ihren Geschwistern
Die Geschwister Scholl, um 1932. Hintere Reihe von links: Inge, Hans und Elisabeth Scholl. Vordere Reihe: Sophie und Werner Scholl

Sophie hatte vier Geschwister: Inge, Hans, Elisabeth und Werner. Sie war die zweitjüngste unter ihnen. Sophie ist in der vorderen Reihe ganz links zu sehen. Mit ihrem jüngeren Bruder Werner, der auf dem Bild neben ihr steht, spielte Sophie am liebsten. Die Geschwister Scholl unternahmen viel draußen in der freien Natur. Auf das wöchentliche Bad am Samstagabend freute sich die kleine Sophie am meisten.

In einem Aufsatz schrieb sie später:

»Meine ältere Schwester durfte schon am Freitag baden, damit nicht all unser Dreck zusammen kam. Wir vier kleinen wurden dann, zwei und zwei, in die Badewanne gesteckt und unserm Schicksal überlassen. Denn unsere Mutter hatte uns die überaus wichtige Aufgabe gestellt, uns selbst zu waschen.«

Sophies Mutter war viel älter als ihr Vater

Foto von Lina und Robert Scholl
Lina und Robert Scholl, 1932

Sophies Eltern Magdalena, genannt Lina, und Robert Scholl lernten sich im Ersten Weltkrieg in Ludwigsburg kennen. Sophies Vater weigerte sich, Dienst mit der Waffe zu leisten, weshalb er dort als Sanitäter eingesetzt wurde. Er behandelte viele verstümmelte und traumatisierte Soldaten. Diese Erfahrungen ließen ihn den Krieg umso mehr hassen. Sophies Mutter war zehn Jahre älter als er und arbeitete im gleichen Lazarett als evangelische Krankenschwester. Sie war gottesfürchtig und hatte für ihren Beruf eigentlich Ehelosigkeit geschworen. Doch Sophies Eltern verliebten sich ineinander und heirateten am 23. November 1916. Eigentlich hatte Sophie fünf Geschwister, doch ihre jüngste Schwester Thilde starb schon als Säugling. Lina Scholl erzog Sophie und ihre Geschwister zu christlicher Nächstenliebe. Robert Scholl wurde Bürgermeister in Forchtenberg und lehrte die Kinder, den eigenen Verstand zu benutzen und die Dinge immer kritisch zu betrachten.

Die Beziehung zwischen Fritz und Sophie war kompliziert

Foto von Fritz Hartnagel in Amsterdam
Fritz Hartnagel in Amsterdam, 1941

Die Beziehung zwischen Fritz und Sophie war recht kompliziert. Sie litten darunter, dass sie sich so selten sahen. Auch hatten beide sehr unterschiedliche Vorstellungen von einer Liebesbeziehung. Am Ende des Jahres 1940 standen sie kurz vor einer Trennung.

Das schrieb Fritz am 27. Dezember 1940 an Sophie:

»Du glaubst, dass das Missverstehen allein auf meiner Seite liegt, oder dass ich dich nicht verstehen will… Aber ich suche ja ein neues Verhältnis zu dir. Doch du sagst zu allem nein. […] Liebe Sophie, wenn es dir möglich ist, dann mach bitte dieser Ungewissheit und diesen Zweifeln ein Ende, ganz gleich welches. Tu, was du tun musst. Ich werde es dir nie übelnehmen, auch wenn ich‘s nicht begreifen könnte.«

Doch im Februar hatte Fritz eine Woche Heimurlaub und traf sich mit Sophie. Nach diesen harmonischen Tagen verfestigte sich die Beziehung wieder.

Da Fritz von September 1941 bis April 1942 in Weimar stationiert war, konnten sich Sophie und er fast jedes Wochenende treffen. Sie besichtigten unterschiedliche Städte und schliefen im Hotel.

Lies Auszüge aus den Briefen, die sich Fritz und Sophie schrieben

Foto von Fritz Hartnagel
Fritz Hartnagel war Leutnant und später Hauptmann bei der deutschen Luftwaffe. Ab Kriegsbeginn war es für das Paar äußerst schwierig, sich zu sehen. Das Bild ist von 1938, als Fritz 21 Jahre alt war.

Fritz schrieb lange Liebesbriefe an Sophie. Sie selbst war etwas zurückhaltender.

Brief von Sophie an Fritz, 18. Februar 1939

»Ich bin dir so dankbar, dass du bis jetzt immer für mich da warst. Das ist das Allerschönste, was du mir geben konntest, was es vielleicht gibt. Zu wissen, dass jemand da ist. Damit hilfst du mir ja am allermeisten, dass du mich lieb hast.«

Brief von Fritz an Sophie, 14. Dezember 1939

»Ich wollte wieder mit dir zusammen sein, Sophie, wie im Sommer, nicht nur für Stunden, wo man das Vor- und Nachher niemals vergisst, wieder mit dir Arm in Arm zeitlos und ziellos dahingehen. Vielleicht auf einer kleinen Skihütte, die nur uns gehört, wo wir selbst kochen können und alles ganz nach unserem Geschmack einrichten können.«

Brief von Fritz an Sophie, Januar 1942

»Vorhin habe ich mit der größten Selbstverständlichkeit von dir als meiner Braut gesprochen, als wir uns im Abteil über die Verbindungen nach Donaueschingen unterhielten. Da hättest du nicht dabei sein dürfen, sonst hätte ich sicher einige unterirdische Puffer und Zwicker einstecken müssen.«

Brief von Sophie an Fritz, 3. Januar 1943

»In Gedanken bin ich jetzt so viel bei dir, dass ich meine, wir müssten uns begegnen. Doch frage ich mich immer wieder mit Sorge, wie es dir jetzt ergehen mag. Du weißt, wie schwer ein Menschenleben wiegt, und man muss wissen, wofür man es in die Waagschale wirft. Welche Verantwortung, die du trägst!«

Symbolbild 3, Uniform
Kapitel 3
Sophie hasste es, dass ihr Freund in den Krieg zog.

Fritz Hartnagel setzte alles daran, seinen Traumberuf zu verwirklichen und wurde nach seiner Ausbildung Offizier der Luftwaffe. Sophie dagegen war überhaupt nicht einverstanden mit seinem Beruf. Sie war gegen den Krieg und hatte oft Angst um Fritz. Nach Kriegsbeginn im September 1939 war es besonders schlimm. Nur wenn Fritz Heimaturlaub bekam, was nicht besonders oft geschah, konnten sie sich treffen und einige Tage miteinander verbringen.

Eine Fernbeziehung

Fritz war dafür verantwortlich, Soldaten auszubilden. Als Offizier war er an verschiedenen Orten eingesetzt und kämpfte auch in der Schlacht um Stalingrad. Aus den Briefen, die Fritz von der Front an Sophie nach Hause schickte, ist die Begeisterung für seinen Beruf zunächst deutlich herauszulesen. Unter Sophies Einfluss und nachdem er selbst Schreckliches gesehen hatte, änderte sich seine Einstellung jedoch.

Und was machte Sophie?
Foto von Sophie beim Reichsarbeitsdienst
Sophie Scholl beim Reichsarbeitsdienst in Krauchenwies, 1941. Nach einer nationalsozialistischen Schulung wurde sie unterschiedlich eingesetzt: Auf einem Bauernhof, als Haushaltshilfe und in einem Kindergarten.

In der Zwischenzeit machte Sophie das Abitur und anschließend eine Ausbildung zur Kindergärtnerin. Eigentlich gefiel ihr die Arbeit mit Kindern überhaupt nicht und sie wollte viel lieber studieren. Doch Sophie hoffte, auf diese Weise dem Reichsarbeitsdienst (RAD) zu entgehen. Denn für ein Studium war der Reichsarbeitsdienst Voraussetzung. Sophie dachte irrtümlicherweise, dass die Kindergärtnerinnenausbildung den RAD ersetzen würde und ärgerte sich furchtbar, als sie trotzdem für sechs Monate herangezogen wurde.

Und es kam noch schlimmer für sie: Kurz vor Ende ihrer Dienstpflicht im August 1941 unterzeichnete Adolf Hitler einen Erlass, der zur Folge hatte, dass Frauen zusätzlich zum halbjährigen Reichsarbeitsdienst weitere sechs Monate Kriegshilfsdienst leisten mussten. Erst 1942 konnte Sophie endlich anfangen, in München Biologie und Philosophie zu studieren.

Am »freiwilligen« Arbeitsdienst war nichts freiwillig

Arbeitsdienstleistende beim Appell
Arbeitsdienstleistende beim militärisch anmutenden Appell, um 1936. Es handelt sich vermutlich um das RAD-Lager Schorfheide am Werbellinsee in Brandenburg.

Ab Juni 1935 musste jeder deutsche Mann im Alter von 18 bis 25 Jahren den Reichsarbeitsdienst ableisten. Für Frauen galt diese Regelung ab Kriegsbeginn 1939. Ausgeschlossen wurde man nur, wenn man körperlich nicht in der Lage war, dem Arbeitsdienst beizutreten. Auch Juden und Jüdinnen waren vom Dienst ausgeschlossen.

Offiziell wurde der RAD als »Ehrendienst am deutschen Volke« bezeichnet. Im Reichsgesetzblatt vom 26. Juni 1935 heißt es: »Der Reichsarbeitsdienst ist zur Durchführung gemeinnütziger Arbeiten vorgesehen.«

Landwirtschaft, Kinderbetreuung, Straßenbau

Das konnten Arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft, für Frauen auch verstärkt in der Kinderbetreuung sein. Nach Kriegsbeginn wurden jedoch immer mehr junge Menschen zu kriegswichtigen Arbeiten herangezogen, etwa um Schutzgräben auszuheben oder Straßen zu bauen. In bombardierten Städten musste der Schutt beseitigt werden, oft mussten die Arbeitsdienstleistenden sogar eine Flak bedienen oder Bunker bauen.

Frauen mussten länger arbeiten

Der Reichsarbeitsdienst war zunächst auf sechs Monate festgelegt. Für Frauen war die Regelung anders. Weil immer mehr Männer als Soldaten an der Front waren und dem Deutschen Reich somit Arbeitskräfte fehlten, mussten sie ab August 1941 zusätzlich noch sechs Monate Kriegshilfsdienst ableisten – so auch Sophie. Ohne den Nachweis über diese »freiwillige« Arbeit wurde sie nicht zum Studium zugelassen.

Sophie konnte nicht verstehen, warum Fritz freiwillig in den Krieg zog

Foto von Sophie um 1940/41
Sophie um 1940/1941, in der Ulmer Wohnung
Zwischen 1938 und 1942 schrieben sich Fritz und Sophie die folgenden Zeilen in ihren Briefen:

Im Oktober 1938 sollten 150 neue Soldaten von Fritz ausgebildet werden. Er schrieb an Sophie:

»Ich bin wieder einmal restlos begeistert von meinem Soldatenberuf; […] der Soldat allein ist der freie Mann.«

Auch ein Jahr später war Fritz noch voller Begeisterung. Zwei Tage nach Kriegsbeginn konnte er es nicht erwarten, endlich in Aktion zu treten:

»Wir warten nun stündlich darauf, dass es auch hier bei uns zum Knallen kommt. Wenn wir’s auch nicht hoffen wollen, so freuen wir uns doch insgeheim darauf. […] Es macht sehr viel Spaß, wenn man mal seine Kriegsschulkenntnisse und Friedenstheorien in die Praxis umsetzen kann.«

Sophie antwortete ihm postwendend. Am 5. September 1939 äußerte sie ihr Unverständnis:

»Nun werdet ihr ja genug zu tun haben. Ich kann es nicht begreifen, dass nun dauernd Menschen in Lebensgefahr gebracht werden von anderen Menschen. Ich kann es nicht begreifen, und ich finde es entsetzlich. Sag nicht, es ist fürs Vaterland.«

Doch eines Tages passierte etwas, das Fritz nachdenklich stimmte. Er entging in Nordbelgien nur knapp einem Anschlag, als eine Brücke direkt vor ihm und seinen Soldaten explodierte. Ein Bauer mit Viehwagen, der sich darauf befand, war sofort tot. Am 18. Mai 1940 gab Fritz gegenüber Sophie zu:

»Es war mein erstes Erlebnis, was mir die Scheußlichkeit des Kriegs richtig zum Bewusstsein brachte. Als ich mittags in meiner Schreibstube saß und im Radio ein herrliches Mozart-Menuett gespielt wurde, fragte ich mich, warum nicht alle Menschen diesem Menuett zuhören können, sondern sich ermorden und verstümmeln müssen.«

Sophie ließ nicht locker. Einige Monate nach diesem Ereignis, am 19. August 1940, führte sie Fritz vor Augen:

»Soviel ich dich kenne, bist du ja auch nicht sehr für einen Krieg und doch tust du nichts andres, als Menschen für den Krieg ausbilden. Du wirst doch nicht glauben, dass es die Aufgabe der Wehrmacht ist, den Menschen eine wahrhafte, bescheidene, aufrechte Haltung beizubringen.«

Schließlich begriff Fritz, warum seine Freundin den Krieg ablehnte

Foto deutscher Soldaten vor Stalingrad
Deutsche Soldaten vor Stalingrad, Winter 1942/43

Langsam aber sicher nahm Fritz Sophies Standpunkt an. Er hatte im Krieg soviel Leid gesehen, dass er verstand, worauf es ihr ankam. Um ihn herum starben Menschen und er selbst schwebte ständig in Lebensgefahr. Fritz erfuhr auch von den brutalen Massenmorden an sowjetischen Juden und Jüdinnen. In einem Brief an Sophie vom 26. Juni 1942 berichtete er:

»Es ist erschreckend mit welcher zynischen Kaltschnäuzigkeit mein Kommandeur von der Abschlachtung sämtlicher Juden des besetzten Russland erzählt hat und dabei von der Gerechtigkeit dieser Handlungsweise vollkommen überzeugt ist. Ich saß mit klopfendem Herzen dabei.«

Im August 1942 befand sich Fritz auf dem Vormarsch auf die russische Stadt Stalingrad. Einige Monate später fand dort eine der größten Schlachten des Zweiten Weltkrieges statt. In deren Verlauf kamen Hunderttausende von russischen und deutschen Soldaten ums Leben. Fritz schrieb vor der Schlacht an Sophie:

»Es ist soviel Grauenhaftes, dass Stunde für Stunde Millionen von Soldaten auf beiden Seiten in ständiger Gefahr stehen, nur damit beschäftigt, sich gegenseitig zu töten, und nur für diesen Zweck denken und arbeiten wieder Millionen, werden Familien getrennt und in tiefes Leid gestürzt.«

Symbolbild 4, Graffiti
Kapitel 4
Sophie hatte Freunde, die Graffiti an Hauswände malten.

Im Mai 1942 zog Sophie in die Universitätsstadt München. Nach zwölf endlosen Monaten Reichsarbeitsdienst konnte sie endlich ihr lang ersehntes Studium antreten. Sie zog zusammen mit ihrem Bruder Hans in eine kleine Wohnung. Sophie hatte sich für Biologie und Philosophie entschieden, ihr Bruder studierte Medizin. Die Geschwister lernten während ihres Studiums Leute kennen, die ebenfalls kritisch gegenüber Hitler und dem Nationalsozialismus eingestellt waren.

Hans ging in den Widerstand

Schließlich wurde Sophies Bruder klar, dass er etwas unternehmen musste. Der Krieg forderte zu viele Menschenleben! Ohne seiner Schwester etwas zu verraten, die er nicht in Gefahr bringen wollte, tat er sich mit Gleichgesinnten zusammen. Er gründete eine Widerstandsgruppe und fing an, Flugblätter zu verfassen. Die Bevölkerung sollte wachgerüttelt werden!

In den Schreiben standen Sätze wie »Mit mathematischer Sicherheit führt Hitler das deutsche Volk in den Abgrund« und »Hitler kann den Krieg nicht gewinnen, nur noch verlängern«. Später malten Hans und seine Freunde auch Schriftzüge wie »Freiheit« und »Nieder mit Hitler« an Hauswände.

So kam Sophie ihrem Bruder auf die Schliche

Sophie kam Hans bald auf die Schliche und wollte auch gegen den Krieg aktiv werden. Sie befürchtete, dass noch viel mehr Soldaten und Zivilist/-innen sterben würden. Und nicht zuletzt hatte sie Angst um ihren Freund Fritz, der auf dem Vormarsch nach Stalingrad war.

Auf diesem Foto ist Hans Scholl zu sehen
Sophies Bruder Hans

Sie erzählte später bei ihrer Vernehmung durch die Gestapo, wann sie von den nächtlichen Graffiti-Malereien ihres Bruders erfuhr.

»Als ich am Donnerstag, den 4. Februar [19]43 gegen 10 Uhr zur Universität kam, um dort bei Professor Huber die Vorlesung zu besuchen, sah ich, dass an der rechten Seite des Eingangs zur Universität zweimal in großer Schrift das Wort ›Freiheit‹ angeschrieben war. Ferner sah ich, dass verschiedene Stellen an Häusern in der Ludwigstrasse mit weißem Papier überklebt waren. An einer Stelle haben Straßenpassanten ein solches Papier weggerissen, worauf ich mich davon überzeugen konnte, dass jedenfalls mittels Schablone die Aufschrift ›Nieder mit Hitler‹ und ein mit zwei Strichen durchkreuztes Hakenkreuz aufgemalt war.

Als ich nach der Vorlesung nach Hause kam, gab ich meinem Bruder von meinen Wahrnehmungen Kenntnis. […] Ich erzählte meinem Bruder, dass zahlreiche Putzfrauen damit beschäftigt seien die Aufschrift abzuwaschen, was aber einige Schwierigkeiten verursachte. […] ›Das stammt wohl von Dir?‹ ich meinte damit, das Anschreiben des Wortes ›Freiheit‹, worauf ich von ihm lachend die Bestätigung erhielt. […]

Ich habe meinem Bruder in diesem Zusammenhang den Rat gegeben, mich bei ähnlichen Schmierereien mitzunehmen, um ihn vor evtl. Überraschungen zu schützen. Ich erwähnte noch, dass wir gegebenenfalls im Falle einer Überraschung Arm in Arm weitergehen könnten und wir dann nicht auffallen würden. Mein Vorschlag leuchtete ihm wohl ein, er hat sich jedoch nicht einverstanden erklärt, weil er die Meinung vertrat, solche Arbeiten seien für ein Mädchen nicht geeignet.«

Auch Sophie blieb nicht untätig
Sophie und ihre Freunde verabschieden sich
Sophie Scholl (am Zaun) verabschiedet einige Mitglieder der Weißen Rose bei ihrer Abfahrt an die Ostfront. Von links nach rechts: Hubert Furtwängler, Hans Scholl, ein unbekannter Soldat und Alexander Schmorell, 23. Juli 1942. Als die Soldaten einige Wochen später wiederkehrten, verdoppelten sie ihre Anstrengungen und stellten weiter Flugblätter her.

So überredete Sophie ihren Bruder, sie in die Widerstandsgruppe aufzunehmen. Sie half dabei, die Flugblätter per Post an meist zufällig ausgewählte Menschen zu versenden und an der Universität zu verteilen. Die Papierkosten und das Porto für tausende Briefmarken zahlten die Gruppenmitglieder aus eigener Tasche. Insgesamt verfassten sie von Juni 1942 bis Februar 1943 sechs Flugblätter. Das vierte unterzeichneten die Mitglieder der Widerstandsgruppe mit »Weiße Rose«. Bald schon suchte die Gestapo mit Hochdruck nach den Freund/-innen.

Briefe wie diesen verschickten Sophie und ihre Freunde unter Lebensgefahr

Das erste Flugblatt, an dem Sophie mitwirkte
Das ist das fünfte von sechs Flugblättern, die die Widerstandsgruppe Weiße Rose druckte und verbreitete. Es stammt aus dem Januar 1943 und war wahrscheinlich das erste, an dem Sophie mitwirkte.
Auszüge aus dem fünften Flugblatt der Weißen Rose:

»Aufruf an alle Deutsche!

Der Krieg geht seinem sicheren Ende entgegen. […] Mit mathematischer Sicherheit führt Hitler das deutsche Volk in den Abgrund. Hitler kann den Krieg nicht gewinnen, nur noch verlängern. […]

Was aber tut das deutsche Volk? Es sieht nicht und es hört nicht. Blindlings folgt es seinen Verführern ins Verderben. Sieg um jeden Preis, haben sie auf ihre Fahne geschrieben. Ich kämpfe bis zum letzten Mann, sagt Hitler – indes ist der Krieg bereits verloren.

Deutsche! Wollt Ihr und Eure Kinder dasselbe Schicksal erleiden, das den Juden widerfahren ist? Wollt Ihr mit dem gleichen Maße gemessen werden, wie Eure Verführer? Sollen wir auf ewig das von aller Welt gehasste und ausgestoßene Volk sein? Nein! […]«

Das waren Sophies Aufgaben bei der Weißen Rose

Passfoto von Sophie
Dieses Passfoto schickte Sophie ihrem Freund Fritz mit der Post. Auf die Rückseite schrieb sie: »Damit Du ein neues Bild von mir hast, sende ich dir dies an und für sich scheußliche Paßfoto. So sah ich vor einer Woche aus. Sobald ich ein schöneres hab’, kriegst du’s.«

Es war gar nicht so einfach, Briefmarken und Umschläge in großen Mengen zu beschaffen, ohne Verdacht zu erregen. Die Widerstandsgruppe Weiße Rose verteilte ihre Texte nicht nur in München, sondern in unterschiedlichen Städten im Deutschen Reich. Meistens steckten sie die Flugblätter in Umschläge und schickten sie per Post. Sophies Aufgabe war es, die Umschläge mit Adressen zu versehen und zu frankieren. Damit war sie meist stundenlang beschäftigt.

Eine gefährliche Aktion

Oft war es preiswerter, die Briefe direkt in den Städten zur Post zu geben. Ende Januar 1943 fuhr Sophie mit etwa 600 Briefen im Aktenkoffer nach Stuttgart. Das war sehr gefährlich, denn im Falle einer Kontrolle wäre Sophie mit dem belastenden Material sofort verhaftet worden.

Für das Finanzielle zuständig

Zudem führte Sophie Buch über die Ausgaben der Widerstandsgruppe. Manchmal bat sie ihren Verlobten Fritz Hartnagel um Geld, denn Papierkosten und Briefporto verschlangen all ihre Ersparnisse. Um Fritz zu schützen, verriet Sophie ihm nichts über ihre Aktivitäten.

Symbolbild 5, Sophies unbedachte Tat
Kapitel 5
Sophie brachte mit einer unbedachten Tat einen Stein ins Rollen.

Sophie und Hans wurden entdeckt, als sie in der Münchener Universität Flugblätter gegen Hitler verteilten. Der Hausmeister dort war überzeugter Nationalsozialist und ertappte sie auf frischer Tat. Sofort rief er die Gestapo und ließ die Geschwister verhaften. Bei den anschließenden Vernehmungen leugneten Sophie und Hans zunächst alles, was ihnen vorgeworfen wurde. Doch bei der Hausdurchsuchung fand die Gestapo belastendes Material, unter anderem mehrere Bögen mit Briefmarken, die die Geschwister zum Versenden der verbotenen Briefe besorgt hatten.

Das sechste Flugblatt der Weißen Rose
Sechstes Flugblatt der Widerstandsgruppe Weiße Rose, Februar 1943. Als Sophie und Hans diesen Zettel an ihrer Universität verteilen wollten, wurden sie erwischt.
Sophie und Hans hatten keine Wahl

Als klar wurde, dass all ihr Leugnen zwecklos war, blieb Sophie und Hans nichts anderes übrig, als ein vollständiges Geständnis abzulegen. Dabei versuchten sie, soviel Schuld wie möglich auf sich zu laden, um die anderen Mitglieder ihrer Widerstandsgruppe mit ihren Aussagen nicht zu belasten. Die Geschwister wollten vor allem ihren Freund Christoph Probst schützen, weil dieser eine Frau und drei kleine Kinder hatte.

Doch warum hatte der Hausmeister sie in der Universität entdeckt, wo sie doch bei ihren Aktionen bislang so vorsichtig vorgegangen waren?

In ihrer Vernehmung am 20. Februar 1943 gab Sophie folgendes zu Protokoll:

»In meinem Übermut oder meiner Dummheit habe ich den Fehler begangen, etwa 80 bis 100 solcher Flugblätter vom 2. Stock der Universität in den Lichthof herunterzuwerfen, wodurch mein Bruder und ich entdeckt wurden.«

Die herunterfallenden Texte waren es also gewesen, die den Hausmeister auf die Geschwister aufmerksam gemacht hatten.

Schließlich fragte der Gestapobeamte Sophie, ob sie ihre Taten bereue:

»Wenn die Frage an mich gerichtet wird, ob ich auch jetzt noch der Meinung sei, richtig gehandelt zu haben, so muss ich hierauf mit ja antworten. […] Mein Bruder und ich haben aus vollkommen ideellen Gründen gehandelt und alle entstandenen Unkosten, die sich meiner Schätzung nach auf ungefähr 800 bis 1000 RM belaufen dürften, aus eigener Tasche bestritten.«

Dieser Mann kannte mit Sophie und ihrem Bruder Hans keine Gnade

Roland Freisler
Roland Freisler, Präsident des Volksgerichtshofes, Aufnahme von 1944

Nach tagelangen Verhören wurden Sophie und Hans vor den Volksgerichtshof und den berüchtigten Richter Roland Freisler gebracht. Angeklagt waren sie wegen »Wehrkraftzersetzung«, »Feindbegünstigung« und »Vorbereitung zum Hochverrat«.

Was bedeuten diese Begriffe?

In ihren Schriften hatten die Geschwister dazu aufgerufen, den Krieg zu beenden. In den Augen der Nationalsozialisten hatten Hans und Sophie also am deutschen »Endsieg« und an Adolf Hitlers Entscheidungen gezweifelt. Man befürchtete, dass Kritik am Nationalsozialismus die Kampfkraft der deutschen Truppen schwächen könnte. Auf dieses »Vergehen« stand im schlimmsten Fall die Todesstrafe.

Ein Richter ohne Gnade

Richter Roland Freisler war für seinen Jähzorn bekannt. Oft brüllte er Angeklagte an und beschimpfte sie aufs Übelste. Wie viele andere nationalsozialistische Richter verhängte sehr harte Strafen, oft Todesurteile.

Bei dem Prozess, der die Geschwister Scholl erwartete, stand das Urteil schon von vorneherein fest. Ohne Sophie und Hans groß zu Wort kommen zu lassen, verurteilte Richter Freisler sie zum Tode. An ihnen sollte verdeutlicht werden, wie man mit »Verrätern« umging.

Das stand einen Tag nach der Hinrichtung in der Zeitung

Foto der Gräber von Hans und Sophie Scholl und Christoph Probst
Die Gräber von Sophie Scholl, Hans Scholl und Christoph Probst befinden sich heute auf dem Friedhof am Perlacher Forst in München. Bild von Oktober 2007

Sophies Eltern reichten ein Gnadengesuch ein – doch vergeblich. Ihnen wurde lediglich gestattet, die Geschwister vor ihrer Hinrichtung noch ein letztes Mal zu sehen. Am 22. Februar 1943 wurden Hans und Sophie durch das Fallbeil enthauptet. Auch ihr Freund Christoph Probst, den sie zu schützen versucht hatten, wurde noch am selben Tag hingerichtet.

Keine Gnade

Unerbittlich verfolgte die Gestapo weitere Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose. Professor Kurt Huber sowie die Studenten Alexander Schmorell und Willi Graf wurden in den folgenden Monaten ebenfalls zum Tode verurteilt und hingerichtet. Andere Mitwisser erhielten Freiheitsstrafen.

Einen Tag nach der Hinrichtung von Hans und Sophie meldete die Zeitung Münchener Neueste Nachrichten:

»Der Volksgerichtshof verurteilte am 22. Februar 1943 im Schwurgerichtssaal des Justizpalastes den 24 Jahre alten Hans Scholl, die 21 Jahre alte Sophie Scholl, beide aus München, und den 23 Jahre alten Christoph Probst aus Aldrans bei Innsbruck, wegen Vorbereitung zum Hochverrat und wegen Feindbegünstigung zum Tode und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Das Urteil wurde am gleichen Tag vollzogen. Angesichts des heroischen Kampfes des deutschen Volkes verdienen derartige verdorbene Subjekte nichts anderes als den raschen und ehrlosen Tod.«

Fritz’ letzter Brief an Sophie ging ins Leere

Foto von Sophie Scholl
Sophie Scholl, um 1937
Sophie schrieb am 16. Februar 1943, einige Tage vor ihrer Verhaftung, einen Brief an ihren Freund Fritz:

»Mein lieber Fritz! Gestern habe ich einen wunderbaren blühenden Stock gekauft, er steht vor mir auf dem Schreibtisch am hellen Fenster, seine graziösen Ranken, über und über mit zarten lila Blüten besetzt, schweben vor mir und über mir. Er ist meinen Augen und meinem Herzen eine rechte Freude, und ich wünsche mir nur, dass du kommst, bevor er verblüht ist. Wann wirst du nur kommen?«

Ihr Brief erreichte Fritz am 22. Februar 1943, er antwortete noch am selben Tag:

»Meine liebe Sophie! Ich danke dir sehr, dass du mir so fleißig schreibst, trotzdem du anscheinend immer noch keine Post von mir erhalten hast. Du tust mir soviel Gutes damit. Wieder hat mich heute ein Gruß erreicht, von dem mir als Erstes zarte, lilarote Blütenblätter in den Schoß fielen.

Und wie ich dann deinen Brief in den Händen halte und dazu die Sonne schon ganz warm durchs Fenster hereinstrahlt, muss da nicht der Frühling bei mir einkehren? Oder zumindest eine Vorahnung und eine starke Hoffnung auf seine Nähe? Und wenn ich nicht zu früh oder ohne jeden Urlaub wieder an die Front geschickt werde, dann werden wir ihn sogar gemeinsam erleben dürfen.«

Seine Antwort erreichte die Freundin nicht mehr. Fritz befand sich zu diesem Zeitpunkt mit Erfrierungen in einem Lazarett in Lemberg. Von Sophies Verhaftung erfuhr er durch einen Anruf ihres Bruders Werner. Trotz seiner Erfrierungen machte sich Fritz sofort auf den Weg nach Berlin, um als Offizier ein Gnadengesuch einzureichen. Doch zu spät: Als er dort ankam, war Sophie bereits tot.

Nach Sophies Tod wollte Fritz nie wieder etwas mit Waffen zu tun haben

Fritz Hartnagel kam über den Tod seiner Freundin Sophie zunächst nicht hinweg. Er hielt engen Kontakt zur Familie Scholl. Gemeinsam versuchten sie, sich in dieser schweren Zeit zu unterstützen.

Zweieinhalb Jahre später, im Oktober 1945, heiratete Fritz Elisabeth Scholl, Sophies ältere Schwester.

In einem Brief an ihre Eltern schrieb er:

»Vielleicht werdet ihr euch wundern, daß ich so früh nach Sophies Tod zu Elisabeth gefunden habe. Aber ich habe alles, was mich mit Elisabeth verbindet, nie als Untreue gegenüber Sophie empfunden. […] Sie ist mitten in unserer Liebe mit eingeschlossen. Und alles, was ich Elisabeth schenken darf, das gebe ich damit auch Sophie. Mir erscheint es drum immer wieder wie ein Wunder, wie meine Liebe zu Sophie in Elisabeth ihre Fortsetzung finden durfte.«

Nie wieder Waffen
Foto von Fritz Hartnagel auf einer Demonstration
Fritz Hartnagel lässt sich auf einer Demonstration gegen Atomwaffen von Polizisten wegtragen. Mutlangen, 1983

Nach dem Krieg engagierte sich Fritz gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland und demonstrierte gegen Atomwaffen. Er kritisierte, dass ehemalige Wehrmachtsoffiziere und NS-Generäle am Aufbau der Bundeswehr beteiligt waren. Später arbeitete Fritz in Ulm und in Stuttgart als Richter. Privat beriet er Jugendliche, die sich weigerten, Wehrdienst zu leisten.

Sophie Scholl

* Geboren 9. Mai 1921 (Forchtenberg) - Gestorben 22. Februar 1943
Symbolbild 1, Sophie war nicht immer gegen Hitler
© Christin Franke
Zum Kapitel
Foto von Sophie in Jungmädeluniform
Sophie (rechts) in der typischen BDM-Uniform, mit Knotenhalstuch und Gaudreieck am Ärmel, auf dem die Zugehörigkeit zu einem Gebiet stand, 1937
© 2012 Manuel Aicher, Dietikon (Schweiz)
Zum Kapitel
Foto einer Gymnastikvorführung des BDM
Bund deutscher Mädel bei einer Gymnastikvorführung, 1941
© Bundesarchiv, Bild 183-2000-0110-500 / CC-BY-SA, Fotograf: o. Ang.
Zum Kapitel
Organisationsstruktur Hitlerjugend
In dieser Grafik kannst du erkennen, welchen Stand Sophie als Gruppenführerin innerhalb des Jungmädelbundes innehatte. Abbildung aus dem Jungvolk-Jahrbuch 1940, herausgegeben von der Reichsjugendführung
© gemeinfrei
Zum Kapitel
Propagandaplakat von 1937
»Auch Du gehörst dem Führer« Propagandaplakat von 1937
© Bundesarchiv, Plak 003-011-009
Zum Kapitel
BDM-Mitglieder, die an Nähmaschinen arbeiten
Mädchen des BDM, erkennbar an weißer Bluse und Knotenhalstuch, an Nähmaschinen arbeitend. Hier bessern sie gerade Kleidung des Jungvolks aus. Bezeichnend ist das Plakat Adolf Hitlers an der Wand: »Wir folgen dir«. Schwanke, 29. Juli 1942
© Bundesarchiv, Bild 183-J02938 / CC-BY-SA
Zum Kapitel
Symbolbild 2, kurze Haare
© Christin Franke
Zum Kapitel
Foto von Sophie mit Kurzhaarfrisur
Sophie Scholl entschied sich in den 1930er Jahren für eine Kurzhaarfrisur.
© Reproduktion Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Zum Kapitel
Foto von Sophie und ihren Geschwistern
Die Geschwister Scholl, um 1932. Hintere Reihe von links: Inge, Hans und Elisabeth Scholl. Vordere Reihe: Sophie und Werner Scholl
© 2012 Manuel Aicher, Dietikon (Schweiz)
Zum Kapitel
Foto von Lina und Robert Scholl
Lina und Robert Scholl, 1932
© 2012 Manuel Aicher, Dietikon (Schweiz)
Zum Kapitel
Foto von Fritz Hartnagel in Amsterdam
Fritz Hartnagel in Amsterdam, 1941
© Elisabeth Hartnagel
Zum Kapitel
Foto von Fritz Hartnagel
Fritz Hartnagel war Leutnant und später Hauptmann bei der deutschen Luftwaffe. Ab Kriegsbeginn war es für das Paar äußerst schwierig, sich zu sehen. Das Bild ist von 1938, als Fritz 21 Jahre alt war.
© Elisabeth Hartnagel
Zum Kapitel
Symbolbild 3, Uniform
© Christin Franke
Zum Kapitel
Foto von Sophie beim Reichsarbeitsdienst
Sophie Scholl beim Reichsarbeitsdienst in Krauchenwies, 1941. Nach einer nationalsozialistischen Schulung wurde sie unterschiedlich eingesetzt: Auf einem Bauernhof, als Haushaltshilfe und in einem Kindergarten.
© 2012 Manuel Aicher, Dietikon (Schweiz)
Zum Kapitel
Arbeitsdienstleistende beim Appell
Arbeitsdienstleistende beim militärisch anmutenden Appell, um 1936. Es handelt sich vermutlich um das RAD-Lager Schorfheide am Werbellinsee in Brandenburg.
© Bundesarchiv, B 145 Bild-P022089 / Frankl, A. / CC-BY-SA
Zum Kapitel
Foto von Sophie um 1940/41
Sophie um 1940/1941, in der Ulmer Wohnung
© Privatbesitz Susanne Zeller-Hirzel
Zum Kapitel
Foto deutscher Soldaten vor Stalingrad
Deutsche Soldaten vor Stalingrad, Winter 1942/43
© Bundesarchiv, Bild 183-P0613-308 / CC-BY-SA
Zum Kapitel
Symbolbild 4, Graffiti
© Christin Franke
Zum Kapitel
Auf diesem Foto ist Hans Scholl zu sehen
Sophies Bruder Hans
© Reproduktion Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Zum Kapitel
Sophie und ihre Freunde verabschieden sich
Sophie Scholl (am Zaun) verabschiedet einige Mitglieder der Weißen Rose bei ihrer Abfahrt an die Ostfront. Von links nach rechts: Hubert Furtwängler, Hans Scholl, ein unbekannter Soldat und Alexander Schmorell, 23. Juli 1942. Als die Soldaten einige Wochen später wiederkehrten, verdoppelten sie ihre Anstrengungen und stellten weiter Flugblätter her.
© George J. Wittgenstein
Zum Kapitel
Das erste Flugblatt, an dem Sophie mitwirkte
Das ist das fünfte von sechs Flugblättern, die die Widerstandsgruppe Weiße Rose druckte und verbreitete. Es stammt aus dem Januar 1943 und war wahrscheinlich das erste, an dem Sophie mitwirkte.
© Bundesarchiv, Reproduktion Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Zum Kapitel
Passfoto von Sophie
Dieses Passfoto schickte Sophie ihrem Freund Fritz mit der Post. Auf die Rückseite schrieb sie: »Damit Du ein neues Bild von mir hast, sende ich dir dies an und für sich scheußliche Paßfoto. So sah ich vor einer Woche aus. Sobald ich ein schöneres hab’, kriegst du’s.«
© Deutsches Historisches Museum, Berlin
Zum Kapitel
Symbolbild 5, Sophies unbedachte Tat
© Christin Franke
Zum Kapitel
Das sechste Flugblatt der Weißen Rose
Sechstes Flugblatt der Widerstandsgruppe Weiße Rose, Februar 1943. Als Sophie und Hans diesen Zettel an ihrer Universität verteilen wollten, wurden sie erwischt.
© Bundesarchiv, Reproduktion Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Zum Kapitel
Roland Freisler
Roland Freisler, Präsident des Volksgerichtshofes, Aufnahme von 1944
© Bundesarchiv, Bild 151-17-15/ CC-BY-SA
Zum Kapitel
Foto der Gräber von Hans und Sophie Scholl und Christoph Probst
Die Gräber von Sophie Scholl, Hans Scholl und Christoph Probst befinden sich heute auf dem Friedhof am Perlacher Forst in München. Bild von Oktober 2007
© Wikimedia Commons, Bild: Rufus46
Zum Kapitel
Foto von Sophie Scholl
Sophie Scholl, um 1937
© 2012 Manuel Aicher, Dietikon (Schweiz)
Zum Kapitel
Foto von Fritz Hartnagel auf einer Demonstration
Fritz Hartnagel lässt sich auf einer Demonstration gegen Atomwaffen von Polizisten wegtragen. Mutlangen, 1983
© Privatbesitz Familie Hartnagel
Zum Kapitel
Nach oben scrollen