Marie Šupíková

* Geboren 22. August 1932 (Lidice) - Gestorben 22. März 2021
Foto von Marie, 1942
Schülerbiografie
Marie ist neun Jahre alt, als die Deutschen 1942 das tschechische Dorf Lidice während einer »Vergeltungsaktion« vollständig zerstören. Ihr Vater und ihr Bruder werden während des Massakers ermordet, ihre Mutter und Großmutter in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Marie kommt in ein Kinderheim. Sie darf nicht mehr tschechisch sprechen. 1943 adoptiert eine deutsche Familie Marie, sie heißt von nun an Ingeborg. Ihre leibliche Mutter findet Marie nach Kriegsende in Prag wieder. Sie ist in Folge der Konzentrationslagerhaft schwer erkrankt und stirbt wenige Monate später. Marie sagt 1947 als Zeugin bei den Nürnberger Prozessen aus.
  • 22. August 1932
    Geburt
  • Juni 1942
    Kinderheim
  • 9. Juni 1942
    Massaker
  • 1943
    Adoption
  • August 1946
    Wiedersehen
Symbolbild Kapitel 1
Kapitel 1
Marie liebte es, Schlitten zu fahren.

Marie wurde am 22. August 1932 in dem tschechischen Dorf Lidice geboren. Sie hatte einen fünf Jahre älteren Bruder, Josef.

Ihr Vater stammte aus dem Nachbarort Bielok (heißt heute Běloky) und arbeitete in einem Eisenwerk. Ihre Mutter Alzbeta hatte schon immer in Lidice gelebt. Sie war in der Landwirtschaft tätig. Auch Maries Oma Antonie, die Mutter ihrer Mutter, lebte bei ihnen im Haus.

Foto von Maries Schulklasse
Das ist Maries Schulklasse, aufgenommen am 2. Juni 1942, kurz vor der Zerstörung Lidices.

Marie führte ein behütetes Leben in Lidice. Als kleines Kind hütete sie Gänse und Ziegen und sammelte Beeren. Im Sommer ging sie gerne schwimmen, im Winter Eislaufen und Schlittenfahren. Am meisten Spaß hatte sie, wenn sie mit ihren Freund/-innen spielen und Unsinn machen konnte.

Marie ging auch gerne zur Schule. Im Juni 1942 wurde ein Klassenfoto gemacht. Marie steht in der letzten Reihe in der Mitte, sie trägt eine große Schleife im Haar.

Sieben Tage später war nichts mehr wie es war – die Nationalsozialisten zerstörten dieses friedliche Leben und machten das ganze Dorf dem Erdboden gleich.

Marie und ihre Freundin verursachten einen Unfall mit ihrem Schlitten

Marie hat als Zeitzeugin an dem Dokumentarfilm »Lidice – 2 Dörfer 1 Ort« mitgewirkt. Sie wurde dazu von Schüler/-innen des Georg-Mendheim-Oberstufenzentrums in Oranienburg bei Berlin interviewt und erzählte auch von ihrem Leben vor dem Massaker – und wie später jede kleine Erinnerung an diese Zeit wichtig wurde.

So sah das Dorf Lidice vor der Zerstörung 1942 aus

Foto von Lidice vor der Zerstörung
Diese Fotografie zeigt den kleinen Ort vor der Zerstörung.

Maries Heimatort war ein schönes kleines Dörfchen mit 102 Häusern und einer Kirche im Zentrum, umgeben von Wiesen und Feldern. Aber so richtig friedlich war es dort auch schon vor dem Massaker nicht mehr: Lidice, etwa 25 Kilometer westlich von Prag, gehörte zur 1918 gegründeten Ersten Tschechoslowakischen Republik.

Zum Zeitpunkt des Massakers gab es dieses Land aber gar nicht mehr: Die Nationalsozialisten, die das Deutsche Reich um jeden Preis vergrößern wollten, hatten 1938 die Grenzgebiete des Nachbarlandes dem Deutschen Reich als »Sudetengau« angegliedert. Ein halbes Jahr später besetzten sie auch noch die »Resttschechei« und stellten sie als »Reichsprotektorat Böhmen und Mähren« unter deutsche Verwaltung. Die Slowakei erklärte sich unabhängig.

Lidice lag in dem unter deutscher Herrschaft stehendem Landesteil. Die Bevölkerung wurde unterdrückt und musste für die deutsche Rüstungsindustrie arbeiten. Dagegen wollten viele Tschech/-innen Widerstand leisten. Der SS-Obergruppenführer und stellvertretende »Reichsprotektor« Reinhard Heydrich ging brutal gegen alle vor, die sich gegen die Ausbeutung wehrten. Er wurde wegen der vielen Todesurteile, die er verhängte, der »Henker von Prag« genannt.

Auch für die Einwohner/-innen von Lidice war das Leben nun sehr schwierig. Aber das, was sich in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 1942 ereignete, hatte sich niemand vorstellen können.

Symbolbild Kapitel 2
Kapitel 2
Marie fragte sich, was mit ihrer Familie geschehen war.

1942 lebten in Lidice, wo Marie geboren wurde, 503 Menschen. In der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 1942 änderte sich das Leben der Bewohner/-innen schlagartig. Die SS umstellte mit Unterstützung der tschechischen Polizei das Dorf. Grund dafür war, dass es ein Attentat auf Reinhard Heydrich, den stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, gegeben hatte. Die Mörder/-innen stammten vermeintlich aus Lidice. Beweise hatte man dafür zwar nicht, aber als Vergeltung für den Mord und als Abschreckung für andere Widerständler/-innen wurde auf Befehl Adolf Hitlers das komplette Dorf zerstört.

Foto nach der Erschießung
An der Rückwand des Hofs der Familie Horák wurden 173 Männer des Dorfes von der SS erschossen.

Kurz nach Mitternacht mussten alle aus ihren Häusern kommen. Auch die zehnjährige Marie wurde aus dem Bett gerissen. Alle Männer des Dorfes, darunter Maries Vater, wurden sofort erschossen, ebenso die Jungen über 15 Jahre. Maries Bruder Josef war 15 Jahre und 2 Monate alt. Diese 2 Monate kosteten ihn das Leben, er wurde ein paar Tage später ebenfalls getötet.

Der Vater und Maries Bruder Josef wurden ermordet

Porträtfotos von Maries Vater und Bruder
Maries Vater und ihr Bruder erlitten dasselbe Schicksal. Der Vater wurde in Lidice erschossen, Josef wenig später in Prag.

Die SS brachte die erwachsenen Männer des Dorfes zum Hof der Familie Horák. Deren Sohn war in England in der tschechischen Exilarmee und die Deutschen vermuteten, dass er etwas mit dem Attentat auf Reinhard Heydrich zu tun haben könnte. An die Rückwand des Hofes stellten die SS-Männer zum Schutz vor zurückprallender Munition Matratzen auf. Dann wurden die Männer erschossen, ohne dass sie erfuhren, was überhaupt los war, und ohne die Möglichkeit, zu beweisen, dass sie nichts mit dem Anschlag zu tun hatten.

»Anlegen, zielen ... Feuer!« Zwei SS-Männer zielten jeweils auf die Brust der Opfer, ein weiterer auf den Kopf. Ein Offizier hielt jedem Hingerichteten nach der Exekution noch einmal eine Pistole an den Kopf und drückte ein weiteres Mal ab. Am Ende lagen 173 Leichen auf dem Hof der Horáks.

Maries Bruder, der wie sein Vater Josef hieß, war zunächst mit Marie und den anderen in der Turnhalle von Kladno eingesperrt worden. Als man die Kinder in das Ghetto Litzmannstadt bringen wollte, fiel den SS-Leuten nach Durchsicht der Unterlagen auf, dass Josef schon seit zwei Monaten 15 Jahre alt war. Er hätte also in Lidice auch erschossen werden sollen. Diesen »Fehler« konnten sie nicht stehen lassen: Auch er wurde ermordet.

Das Dorf wurde vollkommen zerstört

Die Häuser wurden systematisch mit Benzin übergossen und angezündet, alles wurde niedergebrannt. Anschließend wurden die Überreste gesprengt, es gab ohrenbetäubende Explosionen, und das Dorf war völlig zerstört. Am nächsten Tag kamen Mitglieder des deutschen Reichsarbeitsdienstes, um die Trümmerhaufen einzuebnen, damit nichts mehr an den Ort Lidice erinnert.

Marie, ihre Mutter und die anderen Frauen und Kinder des Dorfes wurden zunächst in die nahegelegene Stadt Kladno gebracht und dort drei Tage lang in einer Turnhalle eingesperrt. Dann trennte man die Kinder gewaltsam von ihren Müttern. Marie und die anderen Kinder brachten die Deutschen in ein Kinderheim nach Litzmannstadt.

Maries Mutter und Oma kamen in das KZ Ravensbrück

Maries Mutter Alzbeta und ihre Großmutter Antonie wurden in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück nördlich von Berlin deportiert. Dort wurden sie mit sechzig anderen Frauen aus Lidice in einer Baracke untergebracht und mussten unter unmenschlichen Bedingungen leben. 1945 wurde die Großmutter kurz vor der Befreiung des Lagers mit Giftgas ermordet.

Maries Mutter überlebte die Inhaftierung und kehrte in die Tschechoslowakei zurück, war jedoch schwer krank.

Foto vom Lagergelände der Gedenkstätte Ravensbrück
Zugangsliste des KZ Ravensbrück
Fotografie vom aufgeschlagenen Gedenkbuch
Nahaufnahme des Eintrags von Antonie Káclová im Gedenkbuch

Hier siehst Du Bilder von der Zerstörung des Dorfes

Foto von brennenden Häusern
Hier sieht man die hohen Rauchwolken von den brennenden Häusern.
Foto von einem brennenden Haus, davor stehen mehrere SS-Männer
Die SS-Männer, die die Häuser in Brand gesteckt haben, posieren vor der von ihnen angerichteten Zerstörung.
Foto von der abgebrannten Fleischerei
Auch die Fleischerei von Lidice ist völlig ausgebrannt.
Foto von einem Haus, dessen Dach zusammengebrochen ist
Die Häuser der Dorfbewohner/-innen wurden vollständig zerstört.
Foto von den Ruinen von Lidice
Von dem Dorf blieben nur Ruinen übrig – und auch die verschwanden: die Trümmer wurden ein paar Tage nach der Aufnahme des Fotos eingeebnet.
Symbolbild Kapitel 3
Kapitel 3
Marie wurde gesagt: ab heute heißt du Ingeborg.

Während die SS ihren Heimatort zerstörte, wurden die Frauen und Kinder von Lidice in der Turnhalle der benachbarten Stadt Kladno eingesperrt. Am Nachmittag des dritten Tages wurden die Kinder von ihren Müttern getrennt und in einen Zug verladen – auch Marie. Sie wurden ins Ghetto Litzmannstadt gebracht und dort von SS-Ärzten begutachtet, ob sie »rückdeutschungsfähig« waren:

In der rassistischen Weltsicht der Nationalsozialisten hatten alle Menschen, die blond und blauäugig waren, »germanisches Blut«. Heinrich Himmler, der Chef der SS, ging davon aus, dass man Kinder mit einem solchen Aussehen »zu Deutschen umerziehen« könne.

In einem Brief der Geheimen Staatspolizei vom 22. Juni 1942 heißt es, dass nur sieben Kinder aus Lidice »rückdeutschungsfähig« wären, unter ihnen Marie. Die anderen 81 Kinder fielen nicht in diese Kategorie, was ihr Todesurteil war.

Im Lebensborn-Kinderheim
Foto des Kinderheims in Puschkau
In diesem Kinderheim in Puschkau sollte Marie »zu einer Deutschen erzogen werden«.

Marie kam in ein Lebensborn-Kinderheim in Puschkau in der Nähe der Stadt Posen. Sie wusste nicht, was weiter mit ihr passieren würde. Wie die anderen Kinder musste sie sich dort als erstes nackt ausziehen und wurde entlaust. Danach bekam sie neue Kleidung. Nun hatte Marie zwar wieder ein Dach über dem Kopf und zu essen, aber ihre Muttersprache durfte sie nicht mehr benutzen. Sie sollte »Manieren« beigebracht bekommen und zu einer Deutschen umerzogen werden.

Marie wurde von einem deutschen Ehepaar adoptiert

Im Sommer 1943 erschien ein kinderloses deutsches Ehepaar aus Posen im Kinderheim. Alfred und Ilse Schiller wollten ein Kind adoptieren und entschieden sich für die zehn- oder elfjährige Marie, die von nun an Ingeborg Schiller hieß. Ihr Geburtsort sollte unbekannt bleiben.

Marie hat als Zeitzeugin an dem Dokumentarfilm »Lidice – 2 Dörfer 1 Ort« mitgewirkt. Sie wurde dazu von Schüler/-innen des Georg-Mendheim-Oberstufenzentrums in Oranienburg bei Berlin interviewt. Ihre Adoption durch das deutsche Ehepaar Schiller hielt sie für einen Glücksfall, in den Lagern oder im Waisenhaus hätte sie es nicht so gut gehabt.

Bei der neuen Familie sehnte Marie sich oft nach ihrer alten Familie. Über ihre Vergangenheit wurde nie gesprochen. Sie ging zur Schule und lernte schnell Deutsch.

Sie lebte in einer Familie, in der sie zwar zufrieden war, die sie aber nicht wie ihre eigene lieben konnte. Das Verhältnis zwischen Marie und den Schillers beruhte auf gegenseitigem Respekt. Im Frühjahr 1945 flüchtete die Familie Schiller vor der Roten Armee von Posen nach Boizenburg an der Elbe, wo Marie das Kriegsende erlebte.

Das Schicksal der anderen Kinder

Foto des Denkmals für die ermordeten Kinder in Lidice
Das Denkmal für die ermordeten Kinder wurde im Jahr 2000 in Lidice aufgestellt.

Für die anderen Kinder war – wie die Gestapo mitteilte – eine »Sonderbehandlung« vorgesehen. Dieser Begriff stand in der Sprache der Nationalsozialisten für Mord. Vermutlich wurden die Kinder wenig später im Vernichtungslager Kulmhof umgebracht.

Im Gedenken an die ermordeten Kinder entwarf die Bildhauerin Marie Uchytilová ein Denkmal. Es zeigt eine Gruppe von Kindern unterschiedlichen Alters, die abwartend nebeneinander stehen. Die Künstlerin arbeitete von 1969 bis zu ihrem Tod 1989 an den Bronzeabgüssen, die mit Hilfe von Spenden aus der Tschechischen Republik und dem Ausland entstanden. Das Denkmal wurde im Jahr 2000 in Lidice aufgestellt.

Die Briefe und Telegramme, die unter den deutschen Behörden wegen des weiteren Schicksals der Kinder verschickt wurden, zeigen kein Mitleid

Brief der Gestapo vom 12. Juni 1942
Telegramm der Gestapo vom 22. Juni 1942
Brief von Heinrich Himmler vom 21. Juni 1943
Symbolbild Kapitel 4
Kapitel 4
Marie konnte sich mit ihrer Mutter nicht mehr verständigen.

Bei der Familie Schiller blieb Marie nach dem Ende des Krieges noch bis zum Sommer 1946. Als in Zeitungen und im Rundfunk zur Suche nach den Kindern aus Lidice aufgerufen wurde, meldete sich auch Familie Schiller. Marie wurde von ihrem Adoptivvater nach Berlin zur Suchstelle gebracht. Der Abschied verlief ohne Tränen.

An diesem Tag erfuhr Marie vom Tod ihres Vaters und ihres Bruders. Ihre Mutter lebte noch und deshalb machte sie sich auf den Weg nach Prag.

»Wir haben uns geliebt, aber wir konnten uns nicht verständigen.«
Foto vom Wiedersehen im Krankenhaus
Marie besucht ihre Mutter im Krankenhaus. Vier Jahre lang hatten sie sich nicht mehr gesehen.

Im August 1946 traf Marie ihre Mutter in einem Prager Krankenhaus wieder. Vier Jahre hatten sie sich nicht gesehen. Verständigen konnten sie sich nur durch eine Übersetzerin: Marie hatte ihr Tschechisch in den Jahren bei der Familie Schiller verlernt und die Mutter sprach kein Wort Deutsch. Viel Zeit sich wieder anzunähern hatten sie nicht. Nur vier Monate später starb Maries Mutter an Tuberkulose, eine Folge ihrer jahrelangen Inhaftierung im Konzentrationslager.

Hier erzählt Marie vom Wiedersehen mit ihrer Mutter

Marie hat als Zeitzeugin an dem Dokumentarfilm »Lidice – 2 Dörfer 1 Ort« mitgewirkt. Sie wurde dazu von Schüler/-innen des Georg-Mendheim-Oberstufenzentrums in Oranienburg bei Berlin interviewt. Sie erzählte unter anderem, dass sie in den Jahren bei der Adoptivfamilie ihre Muttersprache vergessen hatte und sie deshalb bei der Wiederbegegnung mit ihrer Mutter eine Übersetzerin brauchten.

Marie vermisst ihre Mutter auch heute noch

Marie hat als Zeitzeugin an dem Dokumentarfilm »Lidice – 2 Dörfer 1 Ort« mitgewirkt. Sie wurde dazu von Schüler/-innen des Georg-Mendheim-Oberstufenzentrums in Oranienburg bei Berlin interviewt. Beim Erzählen kamen viele Emotionen wieder hoch, so auch die Trauer über den Tod der Mutter und das Aufwachsen als Waise.

Marie wollte Gerechtigkeit und sagte vor Gericht aus

Foto von Marie vor dem Internationalen Gerichtshof
1947 sagte Marie als Zeugin vor dem Internationalen Gerichtshof in Nürnberg über das Massaker in Lidice aus.

Nach dem Krieg hielten die Alliierten – also die USA, Großbritannien, die Sowjetunion und Frankreich – ein internationales Militärgericht wegen der von den Nationalsozialisten begangenen Verbrechen ab. Die Prozesse fanden in Nürnberg statt und dauerten von 1945 bis 1949. Angeklagt wurden die sogenannten Hauptkriegsverbrecher, darunter auch Ärzte und Juristen, Mitglieder von SS und Polizei, Militärs, Regierungsangehörige und Industrielle.

Auch über das Massaker in Lidice wurde dort verhandelt, und da es kaum Überlebende gab, wurde die 15-jährige Marie zu einer wichtigen Zeugin. Auf dem Foto sieht man sie beim Schwur vor ihrer Aussage.

Symbolbild Kapitel 5
Kapitel 5
Marie wollte nicht schweigen, sondern erzählen.

Nach dem Krieg wurde Marie Krankenpflegerin. Sie heiratete und 1955 wurde ihre Tochter geboren. Im gleichen Jahr zog sie mit ihrer kleinen Familie in das 1947 aufgebaute neue Lidice, das 300 Meter von dem alten Dorf entfernt steht. Alle Überlebenden des Massakers bekam von der tschechoslowakischen Regierung dort ein eigenes Haus.

»Lidice wird immer meine Heimat bleiben«

Die Rückkehr nach Lidice fiel ihr trotz der schrecklichen Vorfälle nicht schwer: Es war ihr Geburtsort, sie hatte dort ihre Kindheit verbracht und wollte, dass auch ihre Kinder dort groß würden. Mit dem Dorf verband sie auch positive Erinnerungen, zum Beispiel die an die Schlittenfahrt mit ihrer Freundin.

Marie hat als Zeitzeugin an dem Dokumentarfilm »Lidice – 2 Dörfer 1 Ort« mitgewirkt. Sie wurde dazu von Schüler/-innen des Georg-Mendheim-Oberstufenzentrums in Oranienburg bei Berlin interviewt und erzählte auch von ihrem Leben nach dem Massaker – und wieso sie später in das neue Dorf Lidice zog.

Marie sprach erst viele Jahre später über ihre Erlebnisse

Erst viele Jahre nach dem Krieg fing sie an, ihre Geschichte zu erzählen. Noch immer vermisste sie ihre Mutter, obwohl schon viele Jahrzehnte vergangen waren. Wenn sie sprach, reichten ihre Emotionen von einem herzhaften Lachen bis zur tiefen Traurigkeit. Das Massaker überschattete ihr Leben, auch in jedem lustigen Satz erwähnt sie die Katastrophe. Marie war dennoch glücklich, nach Kriegsende in Lidice ein »normales« Leben zu führen und eine Familie zu gründen.

Sie engagierte sich viele Jahre lang als Zeitzeugin. Das tat sie mit viel Überzeugung. Sie wollte jungen Menschen ihre Geschichte erzählen. Alle, die Marie kennenlernten und ihre Geschichte hörten, erlebten eine liebenswerte und von Liebe erfüllte Frau. Sie starb am 22. März 2021 in Prag.

Interviewsituation mit den Schüler/-innen
Marie gibt den Schüler/-innen des Georg-Mendheim-Oberstufenzentrum ein Interview.

Was möchte Marie uns mitteilen?

Marie hat als Zeitzeugin an dem Dokumentarfilm »Lidice – 2 Dörfer 1 Ort« mitgewirkt. Sie wurde dazu von Schüler/-innen des Georg-Mendheim-Oberstufenzentrums in Oranienburg bei Berlin interviewt und erzählte auch, wie es war, zu den wenigen Überlebenden aus Lidice zu gehören.

Hier kannst Du dir Bilder von der Gedenkstätte Lidice heute anschauen

Fotografie der 1962 eingeweihten Gedenkstätte Lidice
Fotografie der Überreste des alten Lidice
Fotografie des Rosengartens in Lidice

Marie Šupíková

* Geboren 22. August 1932 (Lidice) - Gestorben 22. März 2021
Symbolbild Kapitel 1
Marie liebte es, Schlitten zu fahren.
© Christin Franke
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Foto von Maries Schulklasse
Das ist Maries Schulklasse, aufgenommen am 2. Juni 1942, kurz vor der Zerstörung Lidices.
© ITS Arolsen
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Foto von Lidice vor der Zerstörung
Diese Fotografie zeigt den kleinen Ort vor der Zerstörung.
© Gedenkstätte Lidice
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Symbolbild Kapitel 2
Marie fragte sich, was mit ihrer Familie geschehen war.
© Christin Franke
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Foto nach der Erschießung
An der Rückwand des Hofs der Familie Horák wurden 173 Männer des Dorfes von der SS erschossen.
© Gedenkstätte Lidice
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Porträtfotos von Maries Vater und Bruder
Maries Vater und ihr Bruder erlitten dasselbe Schicksal. Der Vater wurde in Lidice erschossen, Josef wenig später in Prag.
© Memory of Nations
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Foto vom Lagergelände der Gedenkstätte Ravensbrück
Ein Foto aus der Gedenkstätte Ravensbrück: An dieser Stelle stand die Baracke 8, in der Maries Mutter und ihre Oma zusammen mit den anderen Frauen aus Lidice inhaftiert wurden.
© Georg-Mendheim-Oberstufenzentrum, Oranienburg
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Zugangsliste des KZ Ravensbrück
Als Nr. 11 steht hier auf dieser Zugangsliste des KZ Ravensbrück Alžběta Doležalová, Maries Mutter. Sie bekam die Häftlingsnummer 11.710.
© ITS Arolsen
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Fotografie vom aufgeschlagenen Gedenkbuch
In der Gedenkstätte Ravensbrück werden die Namen der Toten des Lagers gesammelt und in einem Gedenkbuch verzeichnet.
© Georg-Mendheim-Oberstufenzentrum, Oranienburg
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Nahaufnahme des Eintrags von Antonie Káclová im Gedenkbuch
Auch an Maries Oma Antonie Káclová wird in dem Gedenkbuch erinnert. Sie wurde Anfang 1945 in einer provisorischen Gaskammer ermordet.
© Georg-Mendheim-Oberstufenzentrum, Oranienburg
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Foto von brennenden Häusern
Hier sieht man die hohen Rauchwolken von den brennenden Häusern.
© Gedenkstätte Lidice
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Foto von einem brennenden Haus, davor stehen mehrere SS-Männer
Die SS-Männer, die die Häuser in Brand gesteckt haben, posieren vor der von ihnen angerichteten Zerstörung.
© Gedenkstätte Lidice
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Foto von der abgebrannten Fleischerei
Auch die Fleischerei von Lidice ist völlig ausgebrannt.
© Gedenkstätte Lidice
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Foto von einem Haus, dessen Dach zusammengebrochen ist
Die Häuser der Dorfbewohner/-innen wurden vollständig zerstört.
© Gedenkstätte Lidice
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Foto von den Ruinen von Lidice
Von dem Dorf blieben nur Ruinen übrig – und auch die verschwanden: die Trümmer wurden ein paar Tage nach der Aufnahme des Fotos eingeebnet.
© Gedenkstätte Lidice
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Symbolbild Kapitel 3
Marie hieß nun Ingeborg.
© Christin Franke
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Foto des Kinderheims in Puschkau
In diesem Kinderheim in Puschkau sollte Marie »zu einer Deutschen erzogen werden«.
© Memory of Nations
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Foto des Denkmals für die ermordeten Kinder in Lidice
Das Denkmal für die ermordeten Kinder wurde im Jahr 2000 in Lidice aufgestellt.
© Gedenkstätte Lidice
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Brief der Gestapo vom 12. Juni 1942
Dieser Brief der Geheimen Staatspolizei Litzmannstadt an die »Umwandererzentrale« kündigt die Ankunft der Kinder von Lidice im Ghetto Litzmannstadt an. Sie waren zwischen einem und 16 Jahren alt. Nach dem Hinweis darauf, dass die Kinder nichts hätten außer der Kleidung, die sie trugen, hieß es, im Brief dick unterstrichen: »Eine besondere Fürsorge ist nicht erforderlich«.
© ITS Arolsen
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Telegramm der Gestapo vom 22. Juni 1942
Die Geheime Staatspolizei im Ghetto von Litzmannstadt wusste nicht genau, was sie mit den Kindern machen sollte. Der Verfasser dieses Telegramms nimmt an, dass die Kinder für eine »Sonderbehandlung« vorgesehen sind – das bedeutet, dass sie ermordet werden sollen. Hier steht außerdem, dass sieben »rückdeutschungsfähige« Kinder ausgesucht wurden. Unter ihnen war Marie.
© Gedenkstätte Lidice
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Brief von Heinrich Himmler vom 21. Juni 1943
Heinrich Himmler beschreibt in einem Brief vom 21. Juni 1943 seine Idee für »gutrassige« Kinder: In einem Kinderheim der SS sollten sie zunächst »charakterlich erkannt« und danach von deutschen Familien adoptiert werden. Sie sollten »menschlich aufgezogen« werden, damit sie nicht zu den »gefährlichsten Rächern« ihrer Eltern würden.
© ITS Arolsen
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Symbolbild Kapitel 4
Marie konnte sich mit ihrer Mutter nicht verständigen.
© Christin Franke
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Foto vom Wiedersehen im Krankenhaus
Marie besucht ihre Mutter im Krankenhaus. Vier Jahre lang hatten sie sich nicht mehr gesehen.
© Gedenkstätte Lidice
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Foto von Marie vor dem Internationalen Gerichtshof
1947 sagte Marie als Zeugin vor dem Internationalen Gerichtshof in Nürnberg über das Massaker in Lidice aus.
© Gedenkstätte Lidice
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Symbolbild Kapitel 5
Marie wollte nicht schweigen, sondern erzählen.
© Christin Franke
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Interviewsituation mit den Schüler/-innen
Marie gibt den Schüler/-innen des Georg-Mendheim-Oberstufenzentrum ein Interview.
© Waidak Media e.V.
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Fotografie der 1962 eingeweihten Gedenkstätte Lidice
Diese Denkmalanlage wurde 1962 eingeweiht und im Jahr 2000 erweitert. Eine Allee verbindet den Erinnerungsort mit dem Zentrum des neuen Lidice.
© Gedenkstätte Lidice
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Fotografie der Überreste des alten Lidice
Nur diese Mauerreste sind noch von dem alten Dorf Lidice übrig.
© Gedenkstätte Lidice
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Fotografie des Rosengartens in Lidice
Auf Initiative eines britischen Abgeordneten wurde im Jahr 1955 ein Rosengarten in Erinnerung an die Ermordeten gepflanzt. Aus 29 Ländern kamen dafür Blumenspenden.
© Gedenkstätte Lidice
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